Digital competence – an emergent boundary concept for policy and educational research
Kurzbeschreibung
Obwohl digitale Kompetenz in Strategiepapieren als eine Kernkompetenz thematisiert wird, ist sie in der Bildungsforschung noch kein standardisiertes Konzept. Die Autor*innen verstehen digitale Kompetenz als ein „boundary concept“, das in verschiedenen Kontexten verwendet werden kann. Die Analyse von pädagogischen Fachartikeln aus den Jahren 2006 bis 2012 zeigt, dass digitale Kompetenz aus einer Vielzahl von Fähigkeiten und Kompetenzen besteht. Anhand der Ergebnisse wird vorgeschlagen, dass digitale Kompetenz folgende Aspekte umfasst: (1) technische Kompetenz, (2) die Fähigkeit, digitale Technologien sinnvoll für Arbeit, Studium und Alltag zu nutzen, (3) die Fähigkeit, digitale Technologien kritisch zu bewerten und (4) die Motivation zur Teilnahme und zum Engagement in der digitalen Kultur.
Annahmen über die Folgen der Digitalisierung
Die Veränderungen in der Gesellschaft und der Kultur, die auf neuen Technologien basieren, haben Auswirkungen auf die verwendeten Begriffe, die den Umgang mit den neuen Technologien beschreiben wollen. Die Forschenden argumentieren, dass es notwendig ist, auf ein besseres Verständnis von Inhalt und Umfang der digitalen Kompetenz hinzuarbeiten, da sie in hochrangigen Strategiepapieren als Schlüsselkompetenz behandelt wird. Aufgrund der Digitalisierung wird digitale Kompetenz über nationale Lehrpläne hinweg verbreitet und weltweit beobachtet, weshalb es besonders wichtig ist zu verstehen, was wirklich von dem Konzept erwartet wird.
Kompetenzanforderungen
Menschen sollen in der Lage sein, Medieninhalte zu interpretieren. Medienwissen setzt die Fähigkeit zur Medienselektion und zum Verständnis von Medienpräferenzen in unterschiedlichen Kulturen voraus. Zudem ermöglicht die Medienselektion ein vielseitig orientiertes Medienhandeln. Ein Verständnis von Medien beziehungsweise Medienwissenschaften sind unabdingbar, um verschiedene kulturelle Identitätskonzepte zu verstehen.
Kompetenzdimensionen
Instrumentell-qualifikatorische Dimension: Technische Fähigkeiten bei der Nutzung digitaler Technologien; Fähigkeiten zur sinnvollen Nutzung und Anwendung digitaler Technologien als geeignetes Werkzeug für die Arbeit, das Studium und für verschiedene Aktivitäten des alltäglichen Lebens; Instrumentelle Kenntnisse und Fähigkeiten zur Nutzung digitaler Technologien und Medien.
Kognitive Dimension: Fähigkeit, die Phänomene der digitalen Technologien zu verstehen; Verständnis des rechnergestützten Denkens oder der Grundsätze der Robotik.
Soziale Dimension: Motivation zur Teilnahme und zum Engagement in der digitalen Kultur; die Fähigkeit, Technologien für die Kommunikation mit anderen Menschen zu nutzen; Fähigkeiten und Kenntnisse in den Bereichen Kommunikation und Zusammenarbeit.
Kritisch-reflexive Dimension: Verständnis der ethischen Fragen, der Grenzen und Herausforderungen und der kritischen Nutzung verschiedener Technologien; kritisches Denken bei der Nutzung neuer Technologien und Medien.
Zentrale theoretische Annahmen über Kompetenz
Die Forschenden nehmen an, dass digitale Kompetenz ein sich entwickelndes, breites Konzept ist, das verschiedene disziplinäre Bereiche miteinander verbindet. Digitale Kompetenz wird als ein eher flexibel definiertes Grenzkonzept betrachtet, das zwischen Politiker*innen, Praktiker*innen und Forschenden funktional genutzt wird. Laut den Forschenden ist es notwendig, auf ein besseres Verständnis von Inhalt und Umfang der digitalen Kompetenz hinzuarbeiten, da hochrangige Strategiepapiere betonen, dass es sich um eine Schlüsselkompetenz handelt. Da es über nationale Lehrpläne hinweg verbreitet und weltweit überwacht wird, ist es außerdem bedeutsam zu verstehen, was de facto von digitaler Kompetenz erwartet wird. Für die Forschung bietet die digitale Kompetenz ein Grenzkonzept in verschiedenen Bereichen zur Erforschung interdisziplinärer Kompetenzen und digitaler Technologien.
Perspektive der Kompetenzträger*innen auf Kompetenz einbezogen?
keine Angabe
Lebenskontexte der Kompetenzträger*innen einbezogen?
keine Angabe
Herausforderungen der Erfassung von Kompetenz
Die Forschenden argumentieren, dass es höchst fragwürdig ist, ob strenge Definitionen zur Messung von Kompetenzen überhaupt sinnvoll sind, denn Kompetenzen sind nicht messbar, zum Beispiel wenn man sie als erfolgreiche Leistung in neuen, ungenau definierten Situationen betrachtet oder im Hinblick auf konkret zu leistende Aufgaben.
Zentrale empirische Befunde über Kompetenz
Die vier Hintergrunddisziplinen (Medienwissenschaft, Alphabetisierungsstudien, Technologie-Studien, Bibliothekswesen) bringen alle Elemente in den Begriff der digitalen Kompetenz ein, der selbst nicht direkt mit einer einzelnen Disziplin verbunden ist. Die Entstehung des Konzepts erfolgt in der Transaktion zwischen verschiedenen thematischen Kontexten sowie zwischen Akteuren verschiedener Arbeitskulturen. Digitale Kompetenz ist in zweierlei Hinsicht ein mögliches "boundary concept": Erstens hat sie Elemente aus verschiedenen Disziplinen, die sich mit ihren Inhalten ergänzen. Zweitens kommt das Konzept vor allem in politik- und praxisbezogenen Artikeln vor, und erst später erschien es dann in Forschungspapieren. Aufgrund der Literaturanalyse leiten die Forschenden folgende Definition ab: Digitale Kompetenz besteht aus den Fähigkeiten und Praktiken, die erforderlich sind, um neue Technologien sinnvoll und als Werkzeug zum Lernen, Arbeiten und für die Freizeit zu verwenden, zum Verständnis der wesentlichen Phänomene der digitalen Technologien in der Gesellschaft und im eigenen Leben sowie zur Motivation, als aktiver und verantwortungsvoller Akteur an der digitalen Welt teilzunehmen.
Quellenangabe
Ilomäki, L., Paavola, S., Lakkala, M., & Kantosalo, A. (2016). Digital competence - an emergent boundary concept for policy and educational research. Education and Information Technologies, 21(3), 655 - 679.