Expert*innen-Gespräch zu KI und Kompetenz am 06.10.2023

„KI und Kompetenz: Zukunft im digitalen Wandel gestalten”. Unter diesem Leitsatz trafen sich in Berlin Vertreter*innen aus Bildung, Forschung und Politik zum Expert*innen-Gespräch im Rahmen des Projekt „Digitales Deutschland“. Hannah Bast, Inhaberin des Lehrstuhls Algorithmen und Datenstrukturen der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg erläuterte in einem einführenden Vortrag die Funktionsweise und das Lernpotenzial neuronaler Netze. Niels Brüggen (JFF) und Dagmar Hoffmann (Univ. Siegen) gaben, auch in Vertretung der verhinderten Anja Hartung-Griemberg (PH Ludwigsburg) einen Einblick in das Projekt „Digitales Deutschland | Monitoring zur Digitalkompetenz der Bevölkerung“. Im Anschluss ergab sich eine intensive Diskussion der Teilnehmenden unter anderem dazu, wie fehlerhaften oder manipulativen Resultaten von generativer KI mit der Förderung entsprechender Kompetenzen in der Bevölkerung entgegengesteuert werden kann.

Anschließend wurde in drei Arbeitsgruppen die Heterogenität der Bevölkerung in ihren Einstellungen und Umgangsweisen mit KI-Technologien erörtert. Deutlich wurde, dass Unterscheidungen nach soziodemografischen Kriterien wie Lebensalter zu grob sind. Vielmehr sind Binnendifferenzierungen nach konkreten Lebenslagen und nach Alltagserfahrungen mit digitalen Systemen und KI erforderlich, um ein adäquates Bild der Bevölkerung zu erhalten. Die Arbeitsgruppen orientierten sich an folgenden Themen:

Kompetenzaneignung von Kindern und Jugendlichen:
Durch KI und den digitalen Wandel haben bereits bestehende Herausforderungen eine neue Qualität angenommen, so die diskutierte Erkenntnis. Unter dem Stichwort „Rückfall in die Bewahrpädagogik“ wurde mit Blick auf Konzepte zur Kompetenzförderung und zum Schutz von Kindern und Jugendlichen diskutiert: Schutzbedarfe und Kompetenzförderung müssen aufeinander abgestimmt sein. Zudem besteht ein Bedarf an Förderkonzepten, die an die Lebenswelt und Herausforderungen junger Menschen angepasst sind. Eine Beschränkung auf Schutzmaßnahmen wäre mit Blick auf das Ziel einer unbeschwerten Teilhabe kritisch zu betrachten.

Künstliche Intelligenz im Alltag älterer Menschen:
Mit Blick auf Höheraltrige wurde die Binnendiversität in dieser Altersgruppe betont. Häufig werde „das Alter“ mit einem Defizit im Hinblick auf den Umgang mit digitalen Technologien verbunden. In der Lebenserfahrung könne aber gerade mit Blick auf Bewertungsverfahren und Prozesse der Urteilsbildung, die anders als bei einer KI funktionierten, eine Ressource für den gesellschaftlichen Diskurs über den digitalen Wandel liegen. Wichtig ist, bestehende Angebotsformen besser zu vernetzen und dort Möglichkeiten zur Auseinandersetzung mit KI zu etablieren. Herausfordernd ist, dass es noch keine ausgearbeitete Didaktik für das höhere Lebensalter gibt – die sich von der der Erwachsenenbildung unterscheiden muss.

Postmigrantische Gesellschaft:
In der Diskussion zur Einordnung von KI-Technologien mit Blick auf die postmigrantische Gesellschaft wurden Erfahrungen und Herausforderungen thematisiert. So wurden etwa besondere Bedarfe zugewanderter Frauen aus Afghanistan nach gender-segregierten Online-Räumen benannt, ebenso wie positive Erfahrungen im Alltag mit digitalen Übersetzungsapps. Inwiefern KI an der Reproduktion von Stereotypen und Ungleichheiten beteiligt ist und wie ihnen entgegengesteuert werden kann, ist für Zugewanderte ein Thema, aber auch für Personen, die bereits seit mehreren Generationen in Deutschland leben. Darüber hinaus wurden Informations- und Bildungsbedarfe zu Themen wie Medienerziehung in Familien und Datenschutz benannt. Gewünscht wurden mehr Angebote im Bereich digitaler Bürgerservice sowie Anlaufstellen zur Beratung bei Fragen zu digitalen Medien.

Ausgehend von diesen Arbeitsgruppen wurde zum Transfer der Erkenntnisse in die Bildungspraxis, politische Arbeit und Forschung gearbeitet: Die Geschwindigkeit der technologischen Entwicklungen erfordert in besonderer Weise Kooperation und Kollaboration von fachlichen und gesellschaftlichen Akteur*innen sowie eine Auseinandersetzung mit den Tech-Unternehmen.

Politische Entscheidungen gut unterstützen:
Diskutiert wurde, wie Erkenntnisse aus Studien zu Digital- und Medienkompetenz an politische Entscheidungsträger*innen weitergegeben werden können, um den größtmöglichen Nutzen aus Forschungsdaten ziehen zu können.
Hierzu wurden bestehende Austauschformate besprochen, die wertvoll sind und ausgebaut werden können. Genannt wurden Veranstaltungen wie das Parlamentarische Frühstück aber auch thematisch offene Formate wie Barcamps. Für die Planung von konkreten und an Politik gebundenen Austauschformaten ist die Passung mit dem policy cycle zu beachten, der schrittweise von der Problemformulierung bis zur Terminierung von Maßnahmen verläuft.

Transfer in die Praxis gestalten:
Die Teilnehmenden benannten bestehende Netzwerke in der praktischen Medienbildung, die informiert oder in Entwicklungsprozesse einbezogen werden sollten. Im punkto KI sind neben originär medienpädagogischen Fragestellungen meist auch Themen der politischen Bildung und weiterer Bildungsfelder angesprochen, deren Vertreter*innen entsprechend einbezogen werden sollten. Hilfreich ist eine klare Definition von KI und daran anknüpfende Bildungskonzepte und erforderlich sind personelle und finanzielle Ressourcen, um einen nachhaltigen Forschungs-Praxis-Transfer zu realisieren.

Partizipation der Bevölkerung ermöglichen:
In dieser Gruppe wurde formuliert, dass die (Weiter-) Entwicklung von KI-Technologie nicht allein dem Markt überlassen werden könne. Unabhängige Forschung muss mit der Entwicklung Schritt halten und die Bedarfe der Bevölkerung (Kompetenzträger*innen) sollten eingespeist werden. Die Diskussion konzentrierte sich u.a. auf partizipative Forschungsdesigns und kombinierte Praxis-/Forschungsprojekte, die darauf abzielen, die lebenslagenbezogene Heterogenität der Bevölkerung aufzunehmen. In diesem Kontext wurden auch Empowerment-Ansätze, Methoden wie Design Thinking und das Arbeiten mit Open Data genannt.

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