Einführung in die Messung digitaler Kompetenzen im Alter
Kurzbeschreibung
Mehrere Initiativen unterstützen Ältere darin, ihre digitalen Kompetenzen weiterzuentwickeln. Doch wie wirksam sind diese Interventionen? Und inwiefern tragen sie zu digitaler Teilhabe bei? Um diese Fragen beantworten zu können, bedarf es passender Instrumente. Daher steht im Fokus des vorliegenden Beitrags die Frage: Wie lassen sich digitale Kompetenzen älterer Menschen messen? Dazu geben die Autor*innen zunächst einen Einblick in den wissenschaftlichen Diskurs um Medienkompetenz und digitale Kompetenz. Sie vergleichen ausgewählte Kompetenzmodelle und Messinstrumente und gehen darauf ein, welche Herausforderungen die Erfassung digitaler Kompetenz mit sich bringt - gerade in Hinblick auf ältere Menschen. Schließlich wählen sie aus mehreren Kompetenzmodellen das DigComp-Modell sowie das zugehörige Erhebungsinstrument DigCompSAT aus. Darauf aufbauend wird ein Erhebungsinstrument für digitale Kompetenzen im höheren Lebensalter entwickelt. Ziel ist es, das Instrument DigCompSAT so zu reduzieren, dass es für Forschungsvorhaben mit älteren Menschen tauglich wird. Das vorgeschlagene Instrument ist jedoch nur ein erster Schritt ist, an dem noch weitergearbeitet werden muss.
Annahmen über die Folgen der Digitalisierung
Angesichts der Digitalisierung müssen sich die Menschen fortwährend mit neuen Technologien auseinandersetzen. Dabei werden sie von zahlreichen Initiativen im Bereich der außerberuflichen Weiterbildung unterstützt. Die Bildungsakteur*innen sind dazu aufgefordert, zu überprüfen, wie wirksam ihre Maßnahmen sind. Dazu sollen sie Digitalkompetenzen älterer Menschen erfassen.
Kompetenzanforderungen
Die Autor*innen schildern eine breite Palette an Anforderungen. Details dazu sind ausführlich unter der Überschrift "Kompetenzdimensionen" zusammengefasst.
Kompetenzdimensionen
Instrumentell-qualifikatorische Dimension: Daten, Informationen und digitale Inhalte organisieren und verwalten; mithilfe digitaler Technologien interagieren sowie Daten und Informationen austauschen; programmieren; Geräte schützen; technische Probleme lösen.
Kognitive Dimension: Daten, Informationen und digitale Inhalte recherchieren, suchen und filtern.
Affektive Dimension: Gesundheit und Wohlergehen schützen.
Kreative Dimension: Digitale Inhalte entwickeln, integrieren und neu ausarbeiten; digitale Technologien kreativ verwenden; programmieren.
Soziale Dimension: Mithilfe digitaler Technologien interagieren und zusammenarbeiten; mithilfe digitaler Technologien an der Gesellschaft teilhaben; angemessen und respektvoll online kommunizieren (Netiquette).
Kritisch-reflexive Dimension: Daten, Informationen und digitale Inhalte bewerten und interpretieren; die digitale Identität verwalten; Copyright und Lizenzen beachten; Geräte, personenbezogene Daten und Privatsphäre schützen; Umwelt schützen; technische Probleme lösen; Bedürfnisse identifizieren und technologische Lösungen dafür finden; digitale Kompetenzlücken identifizieren.
Zentrale theoretische Annahmen über Kompetenz
Medienkompetenz wird als Begriff vielfältig und zum Teil beliebig verwendet. Er ist durch eine gewisse Unschärfe gekennzeichnet - gerade im deutschsprachigen Raum. Viele Definitionen lehnen sich jedoch an Ideen von Dieter Baacke sowie Klaus Peter Treumann und dessen Kolleg*innen an. So lässt sich Medienkompetenz in etwa vier Dimensionen unterteilen. Diese umfassen, digitale Technologien einzusetzen, Informationen zu beschaffen und zu bewerten, mithilfe digitaler Medien zu kommunizieren und Aufgaben mit ihnen zu bearbeiten. Zudem müssen Menschen lernen, mit den Folgen der Digitalisierung umzugehen. Medienkompetenz ist damit komplex und mehrdimensional. Dies bilden klassische Kompetenzmodelle mitunter nicht ausreichend ab. Daher sind mittlerweile zahlreiche neuere digitale Kompetenzmodelle entstanden. Vor diesem Hintergrund stellt sich allerdings die Frage: Was unterscheidet digitale Kompetenz von Medienkompetenz? In diesem Beitrag wird Medienkompetenz als Grundlage für digitale Kompetenz verstanden. Digitale Kompetenz wiederum ist ein Bestandteil digitaler Teilhabe. Die Autor*innen erachten das DigCompModell aus zwei Gründen als besonders geeignet, um digitale Kompetenzen zu erfassen. Zum einen ist es vielfältig anwendbar und zum anderen bildet es die Basis zahlreicher weiterer digitaler Kompetenzmodelle.
Perspektive der Kompetenzträger*innen auf Kompetenz einbezogen?
keine Angabe
Lebenskontexte der Kompetenzträger*innen einbezogen?
Nur wenige Kompetenzmodelle berücksichtigen ältere Menschen explizit. Dabei begegnen Personen ab 60 Jahren der Digitalisierung unter anderen Voraussetzungen als Jüngere. Sie sind vermehrt von digitaler Exklusion betroffen. Beispielsweise haben etwa sieben Millionen Ältere keinen Zugang zum Internet. So können sie Chancen der Digitalisierung kaum bis gar nicht wahrnehmen und es können sogar (finanzielle) Nachteile aus einer Nichtnutzung resultieren. Für die digitale Exklusion von Menschen im höheren Lebensalter gibt es mehrere Gründe. Ältere Menschen sind zum einen nicht mit Informations- und Kommunikationstechnologien aufgewachsen. Diese spielten in ihrer Kindheit, Jugend und ihrem Berufsleben noch keine Rolle. Zum anderen verändern sich Technologien rasant. Das erfordert ein ständiges Weiterlernen. Schließlich bringen Menschen in höherem Lebensalter andere Voraussetzungen als Jüngere mit, um sich Wissen anzueignen. So ist Selbstwirksamkeit dafür entscheidend, digitale Medien zu nutzen. Auch ist es für eine Auseinandersetzung mit digitalen Medien wesentlich, wie Kompetenzträger*innen die Bedienbarkeit von Geräten einschätzen. Zudem können negative Stereotype über ältere Menschen diese daran hindern, sich mit digitalen Technologien auseinanderzusetzen.
Herausforderungen der Erfassung von Kompetenz
Es ist eine komplexere Aufgabe, digitale Kompetenzen zu messen als lediglich die Mediennutzung zu erfassen. Die Aktualität eines Tests ist für dessen inhaltliche Güte ausschlaggebend - gerade vor dem Hintergrund rasanter technologischer Entwicklungen. Herausfordernd ist eine Messung unter anderem, weil es nur wenige Veröffentlichungen zur Messung digitaler Kompetenzen gibt. Tests, die dazu entwickelt werden, bleiben teils unter Verschluss, damit Befragte nicht lediglich auf die Testfragen hinlernen. Zudem konzentrieren sich bestehende Messinstrumente, die sich auf das höhere Lebensalter beziehen, häufig auf den Umgang mit Daten und Informationen sowie die Kommunikation mittels digitaler Medien. In ihnen fehlen fortgeschrittene Fähigkeiten, wie etwa Programmieren. Digitale Kompetenzen aus subjektiver Perspektive (also durch Selbsteinschätzungen) zu erheben, erscheint den Autor*innen angemessen. Denn ein solches Erhebungsinstrument sollte dem Umstand Rechnung tragen, dass bei Älteren der persönliche Mehrwert darüber entscheidet, ob sie den Umgang mit einer bestimmten digitalen Technologie erlernen wollen. Es geht weniger darum, einen bestimmten Soll-Wert zu erreichen. Angesichts dessen sehen die Autor*innen im DigCompSAT-Fragebogen ein passendes Instrument zur Messung digitaler Kompetenzen. Noch besser wäre es aus ihrer Perspektive jedoch, verschiedene Messansätze miteinander zu kombinieren, zum Beispiel Selbsteinschätzungsbögen, Tests, Beobachtungen und Trainingsprotokolle. Der DigCompSAT-Fragebogen deckt eine große Bandbreite an Kompetenzen ab, ist statistisch geprüft sowie am theoretischen DigComp-Modell orientiert. Jedoch ist es für die Arbeit mit älteren Menschen zu umfangreich und wird daher von den Autor*innen reduziert. So werden zum Beispiel Items ausgeschlossen, die keinen Bezug zum Alltag von Menschen im höheren Lebensalter haben.
Zentrale empirische Befunde über Kompetenz
Am finalen Fragebogen gilt es mehrere Aspekte kritisch zu betrachten. Erstens überschneiden sich Items zu Computer- und Smartphonenutzung zum Teil. Dadurch kann nach etwas gefragt werden, was auf Smartphones bereits automatisch funktioniert und entsprechend nicht von Individuen geregelt werden muss. Zudem bleibt bei manchen Items unklar, ob diese im Alltag Älterer in dieser Form eine Rolle spielen. Wichtig ist, statt Anforderungen, die sich auf den Beruf beziehen, vermehrt Situationen aufzugreifen, die es im Ruhestand zu bewältigen gilt. Ein Beispiel sind etwa ehrenamtliche Tätigkeiten. Auch im Fragebogen etwas angeben zu können wie "das brauche ich nicht", könnte dafür eine Lösung sein.
Quellenangabe
Weinhold, N., Barczik, K., Jokisch, M., Doh, M., & Göbl, L. (2023). Einführung in die Messung digitaler Kompetenzen im Alter. Bestandsaufnahme und erste Ableitungen zur Erfassung der digitalen Kompetenz bei älteren Menschen. MedienPädagogik, 581–618. https://doi.org/10.21240/mpaed/jb20/2023.09.22.X.
Sonstige Anmerkungen
Das finale Instrument zur Messung digitaler Kompetenzen umfasst 24 Items und weist eine akzeptable Modellgüte auf. Der Fragebogen ist im Anhang beigefügt.