Kompetenzen in einer Kultur der Digitalität – Brauchen wir generalistische Kompetenzmodelle?
Kurzbeschreibung
Was macht digitale Kompetenzen in einer Kultur der Digitalität aus? Dieser Frage widmet sich der vorliegende Artikel. Mittlerweile gibt es viele verschiedene Modelle von Medienkompetenz bzw. digitaler Kompetenz. Diese wurden aufgrund technologischer Neuerungen immer wieder verändert. Trotzdem weisen sie Lücken auf angesichts aktueller Entwicklungen. Diese Lücken werden vor allem sichtbar, wenn Kompetenzbegriffe vor dem Hintergrund einer Kultur der Digitalität betrachtet werden. Dann erscheinen drei Aspekte wesentlich, in der Debatte bislang jedoch unzureichend berücksichtigt. Das sind Transformation, Haltung und Gleichzeitigkeit. Diese Begriffe verweisen darauf, dass Menschen dazu in der Lage sein müssen, sich ihr Leben lang mit analogen und digitalen Aspekten ihrer Lebenswelt auseinanderzusetzen. Dafür ist eine entsprechende Haltung, digitalkompetent zu handeln, relevant.
Annahmen über die Folgen der Digitalisierung
Technologische Entwicklungen haben einiges verändert. Menschen müssen nicht mehr synchron miteinander kommunizieren, durch digitale Medien können sie dies auch zeitversetzt. Zudem verschwimmen die Grenzen zwischen Nutzung, Distribution und Produktion, wenn digitale Medien verwendet werden. Auch die Fuktion der Massenmedien hat sich gewandelt. Angesichts des digitalen Zeitalters wurden viele neue Kompetenzmodelle entwickelt. Diese beziehen sich aber jeweils auf die technischen Entwicklungen und damit zusammenhängende Chancen und Herausforderungen ihrer Zeit. Den Begriff der Digitalisierung kritisiert die Autorin als zu technikfokussiert. Sie verweist anstelle dessen auf Digitalität als Zustand unseres Alltags. Dieser Begriff beschreibt, dass sich heutzutage das Digitale und das Analoge nicht mehr voneinander trennen lassen. Die Menschen leben in einer Kultur der Digitalität, das heißt Medien sind tief in Gesellschaft und Kultur verankert. Kennzeichnend für den Zustand der Digitalität sind die Merkmale Referenzialität, Gemeinschaftlichkeit und Algorithmizität. Referenzialität bedeutet, dass Menschen im Internet stets aufeinander verweisen. Sie nutzen, was bereits vorhanden ist, verweisen darauf, verändern es oder schaffen daraus etwas Neues. Zugleich arbeiten sie häufig kollaborativ an Inhalten. Das drückt sich im Begriff Gemeinschaftlichkeit aus. Algorithmizität bedeutet, dass im Internet Algorithmen die Menge an Informationen reduzieren und formen, was Menschen wahrnehmen.
Kompetenzanforderungen
Menschen brauchen angesichts der Mediatisierung eine reflexive Grundhaltung, um in einer permanenten Online-Umgebung den Wert des Analogen und des Digitalen abwägen zu können.
Kompetenzdimensionen
Affektive Dimension: Die Mediatisierung aushalten.
Kritisch-reflexive Dimension: In einer permanenten Online-Umgebung mit all ihren Möglichkeiten und Risiken den Wert des Analogen gegenüber dem des Digitalen abwägen können; bewusst mit der Parallelität von On- und Offline-Präsenz umgehen, das heißt bestimmen, welche Ausmaße die eigene digitale Entsprechung annehmen soll, welche Daten und Zusammenhänge wie und wo über die eigene Person erzeugt werden und mit diesem Wissen adäquat umgehen; eigene Werte identifizieren, bewerten und verankern.
Zentrale theoretische Annahmen über Kompetenz
Die Autorin orientiert sich am Kompetenzverständnis von Christine Trültsch-Wijnen. Demnach ist Medienkompetenz aus Media literacy und Information literacy zusammengesetzt - zwei Begriffe, die zunehmend miteinander verschmelzen. Bei Media literacy liegt der Fokus darauf, Medieninhalte kritisch zu verstehen und zu beurteilen. Information literacy fokussiert demgegenüber das Bedienen und Anwenden von Medien. Etablierte Kompetenzmodelle (wie das DigComp-Modell oder das Dagstuhl-Dreieck) weisen einerseits Ähnlichkeiten auf. Sie lehnen sich beispielsweise alle an die Idee Dieter Baackes an, Schwerpunkte wie Medienkritik, -kunde, -nutzung und -gestaltung zu unterscheiden. Andererseits unterscheiden sie sich darin, in welche Dimensionen Kompetenz konkret aufgespalten wird. Diese Unterschiede gehen auf verschiedene digitale Medienwelten zurück. Die Autorin plädiert dafür, unterschiedliche digitale Kompetenzmodelle auf Grundlage dreier Dimensionen zu betrachten, nämlich Transformation, Haltung und Gleichzeitigkeit.
Perspektive der Kompetenzträger*innen auf Kompetenz einbezogen?
keine Angabe
Lebenskontexte der Kompetenzträger*innen einbezogen?
Die Autorin weist darauf hin, dass drei Aspekte stets berücksichtigt werden sollten, wenn es um Medienkompetenz geht. Erstens ist der Kompetenzaufbau eine lebenslange Aufgabe. Medienkompetenzen müssen langfristig entfaltet werden. In Kompetenzmodellen wird bislang jedoch nicht deutlich, wie Kompetenz sich Schritt für Schritt entwickelt. Zweitens bedarf es einer entsprechenden individuellen Einstellung. Medienkompetent zu handeln sollte nicht von außen aufgesetzt sein, sondern aus innerem Antrieb geschehen. Drittens sind Menschen heutzutage stets gleichzeitig on- und offline, denn sie haben digitale Entsprechungen im Internet, beispielsweise Profile in Social Media. Auch diese Aspekte bleiben aktuell in Medienkompetenzmodellen unberücksichtigt. Der Fokus liegt auf dem Handeln mit Medien, eine analoge Perspektive bleibt ausgespart.
Herausforderungen der Erfassung von Kompetenz
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Quellenangabe
Soßdorf, A. (2023). Kompetenzen in einer Kultur der Digitalität. MedienPädagogik, 257–280. https://doi.org/10.21240/mpaed/jb19/2023.03.10.X