Digitale Kompetenzen von Lehrpersonen – Ergebnisse einer empirischen Untersuchung in der Berufsbildung
Kurzbeschreibung
Durch die digitale Transformation ergeben sich weitreichende Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft – auch im Bildungsbereich. So entsteht die Notwendigkeit, dass Lehrpersonen über digitale Kompetenzen verfügen müssen, um Schüler*innen auf die Anforderungen der digitalen Welt vorbereiten zu können. Doch welche professionellen Kompetenzen benötigen Lehrkräfte aus der Berufsbildung im Kontext des digitalen Wandels? Das ist die zentrale Frage der vorliegenden Studie. Die Autor*innen entwickeln dazu ein Rahmenkonzept digitaler Kompetenzen und darauf aufbauend ein Selbsteinschätzungsinstrument. Dazu wurden mehrere Interviews und Fokusgruppengespräche geführt sowie eine Umfrage durchgeführt. Digitale Kompetenzen setzen sich in diesem Modell zusammen aus Professionswissen, instrumentellen Fertigkeiten und Wissen im Umgang mit digitalen Medien sowie motivational-affektiven Merkmalen. Insgesamt wird die Bedeutung digitaler Kompetenzen für Lehrpersonen im Bereich der beruflichen Bildung sowie die Notwendigkeit kontinuierlicher Weiterentwicklung hervorgehoben.
Annahmen über die Folgen der Digitalisierung
Die Autor*innen grenzen die Begriffe Digitalisierung und digitale Transformation voneinander ab. Digitalisierung ist nicht neu und wird etwa mit der Einführung digitaler Informationstechnologie verbunden wird. Weitergehend wird unter Digitalisierung vor allem mit folgenden Aspekten verbunden: (1) einer Erweiterung des Internets durch eine Vernetzung der Dinge, (2) mit Prozessen und Kontrollsystemen, die weitgehend automatisiert ablaufen, (3) mit Big Data und ausgeklügelter Analytik sowie (4) mit dem zunehmenden Einsatz Künstlicher Intelligenz sowie digitaler Assistenzsysteme (S. 214). Digitale Transformation beschreibt, dass sich Wirtschaft, Alltag und Gesellschaft dadurch verändert, dass digitale Technologien genutzt werden. Sowohl die Digitalisierung als auch die digitale Transformation stellen Megatrends dar, durch die sich auch tiefgreifende Veränderungen für den Schulbereich ergeben. Die Autor*innen verweisen darauf, "dass die digitale Revolution mehr nach sich zieht als nur Industrie 4.0, nämlich geradezu eine neue Gesellschaftsformation 5.0, die insbesondere durch die Auflösung der für die Menschen bisher selbstverständlichen Differenz zwischen Realität und Fiktivität [...] gekennzeichnet sein wird" (S. 214). Vor diesem Hintergrund kommt Lehrenden in mehrfacher Hinsicht eine wichtige Rolle zu. Zum einen sollen sie Technologien in den Unterricht integrieren und zum anderen digitale Kompetenzen bei den Lernenden fördern. Hinzu kommt, dass sie zur Schulentwicklung beitragen, also aktiv den Transformationsprozess gestalten sollen.
Kompetenzanforderungen
Digitale Kompetenzen von Lehrpersonen beziehen sich auf zwei Anforderungssituationen, nämlich einerseits die digitale Transformation auf Unterrichtsebene zu gestalten und andererseits die digitale Transformation der gesamten Schule mitzugestalten.
Kompetenzdimensionen
Instrumentell-qualifikatorische Dimension: Erstellen digitaler Inhalte; digitale Sicherheit gewährleisten; digitales Problemlösen.
Kognitive Dimension: Umgang mit digitalen Informationen.
Kreative Dimension: Erstellen digitaler Inhalte; digitales Problemlösen.
Soziale Dimension: Digitale Skills von Lernenden fördern; digitale Kommunikation und Zusammenarbeit.
Kritisch-reflexive Dimension: Digitale Sicherheit gewährleisten.
Zentrale theoretische Annahmen über Kompetenz
Der Begriff "digitale Kompetenzen" wird synonym zu "professionellen Kompetenzen von Lehrpersonen im Kontext des digitalen Wandels“ verwendet. Das entwickelte Rahmenkonzept basiert auf einem Modell von Baumert und Kunter zur professionellen Kompetenz von Lehrpersonen. Zudem werden weitere Ansätze zur Entwicklung von Medienkompetenzen berücksichtigt. So wird etwa das EU-Kompetenzframework für digitale Kompetenzen verwendet, um berufsübergreifende Fertigkeiten einzubeziehen. Das Rahmenkonzept umfasst Facetten, die sowohl die Gestaltung des digitalen Wandels auf der Unterrichtsebene als auch auf der Schulebene abdecken.
Perspektive der Kompetenzträger*innen auf Kompetenz einbezogen?
Um Kompetenzen im Kontext der Unterrichts- und Schulentwicklung entwerfen zu können, bildete die Perspektive der Lehrenden/Schulleitungen einen zentralen Ausgangspunkt. So wurden Schulleitungen und Lehrpersonen im Rahmen von Interviews und Gruppengesprächen befragt, um darauf aufbauend ein Erhebungsinstrument für digitale Kompetenzen zu entwickeln.
Lebenskontexte der Kompetenzträger*innen einbezogen?
Im Rahmenkonzept digitaler Kompetenzen werden verschiedene Kontextfaktoren berücksichtigt, einerseits individuelle Faktoren, andererseits auf gesellschaftlicher Ebene die digitale Tranformation sowie Netzwerkökonomie als Rahmen. Zudem wird einbezogen, inwiefern Lehrende Lerngelegenheiten nutzen und inwiefern sie Schüler*innen solche Lerngelegenheiten selbst schaffen.
Herausforderungen der Erfassung von Kompetenz
Die Autor*innen weisen darauf hin, dass sich die Ergebnisse auf Lehrende berufsbildender Schulen in der Deutschschweiz beziehen. Inwiefern sich die Ergebnisse auch in anderen Bildungsstufen oder Ländern widerspiegeln, müsste noch geprüft werden.
Zentrale empirische Befunde über Kompetenz
Die Studienergebnisse zeigen, dass alle Kompetenzfacetten wichtig sind, um Digitalisierung als Unterrichtsinhalt und digitale Medien im Unterricht zu nutzen. Die Autor*innen empfehlen, alle Kompetenzfacetten zu fördern, jedoch denjenigen Facetten mit geringer Ausprägung und hoher Bedeutung für den Einsatz digitaler Inhalte Priorität einzuräumen. Neben allgemeinem pädagogischen Wissen, dem Fördern digitaler Fähigkeiten von Lernenden, der Mediendidaktik sind dies auch digitale Skills von Lehrkräften. Denn sie haben auch einen Einfluss auf die Nutzung von Digitalisierung als Unterrichtsinhalt und digitalen Medien im Unterricht. Es wird angenommen, dass wenn sich Lehrende in der digitalen Welt besser auskennen, sie eher die Notwendigkeit sehen und Anwendungsbeispiele erlernen, um digitale Inhalte in den Unterricht einzubinden.
Quellenangabe
Seufert, S., & Guggemos, J. (2022). Digitale Kompetenzen von Lehrpersonen - Ergebnisse einer empirischen Untersuchung in der Berufsbildung. In K. Gerholz, P. Schlottmann, P. Slepcevic-Zach, & M. Stock (Hrsg.), Digital Literacy in der beruflichen Lehrer:innenbildung: Didaktik, Empirie und Innovation (S. 213-226). wbv Media GmbH & Company KG.