50 Jahre Medienkompetenz und kein bisschen weiter? Von der Kommunikativen Kompetenz zu DigComp (Editorial)

Kurzbeschreibung

Was brauchen Menschen, um in einer Welt gesellschaftlich handlungsfähig zu sein, die von (digitalen) Medien geprägt ist? Diese Frage steht im Zentrum des vorliegenden Editorials. Die Autor*innen betrachten das medienpädagogische Leitbild der Medienkompetenz. Sie skizzieren seine Geschichte, ausgehend von der Entstehung des Medienkompetenzbegriffs bei Dieter Baacke vor 50 Jahren über prominente Stationen, wie beispielsweise das DigComp-Modell oder die Strategie der Kultusministerkonferenz zu Bildung in der Digitalen Welt. Daraus wird deutlich, wie sich das Verständnis dieses Begriffs gewandelt hat. Zugleich betonen die Autor*innen, was für Medienkompetenz zentral ist. Diese sollte nicht darauf reduziert werden, Medien bedienen zu können. Kritische Reflexion sollte einen hohen Stellenwert haben. Neuere Modelle sind allerdings oft funktionalistischer Natur. Sie begreifen Medienkompetenz als Mittel, um bestimmte Ziele zu erreichen. Ihnen fehlt häufig der Fokus auf kritische Reflexion.

Annahmen über die Folgen der Digitalisierung

Durch die Digitalisierung haben Menschen mehr Möglichkeiten, miteinander zu kommunizieren und an der Gesellschaft teilzuhaben. Medien sind zu partizipativen Werkzeugen geworden, eine zunehmende Vernetzung digitaler Medien bietet viele neue Möglichkeiten und auch Künstliche Intelligenz bringt Veränderungen mit sich. Im Zuge des digitalen Wandels haben sich zahlreiche neue Leitbilder und Bindestrichkompetenzen entwickelt, zum Beispiel Fake-News-Kompetenz oder KI-Kompetenz. Sie fokussieren jeweils auf einen Aspekt der Mediatisierung und Digitalisierung. Durch diesen verengten Blickwinkel können solche Konzepte allerdings schnell wieder veralten, gerade angesichts des rasanten technischen Wandels. Demgegenüber erscheint Dieter Baackes Konzept von Medienkompetenz eher geeignet, die Zeit zu überdauern. Trotzdem könnte angesichts des digitalen Wandels neu formuliert werden, was unter dessen vier Kompetenzdimensionen zu verstehen ist. Durch den digitalen Wandel ergibt sich zudem die Frage: Können Individuen überhaupt noch selbstverantwortlich handeln, wenn digitale Infrastrukturen mächtiger und undurchschaubarer werden? Die Autor*innen gehen davon aus, dass sich der Kontrollverlust, der mit Medien einhergeht, mit Bildung allein nicht einholen lässt. Vielmehr braucht es eine neue Vorstellung von Souveränität.

Kompetenzanforderungen

Menschen können Medien nur nutzen und gestalten, wenn sie diese auch durchschauen. Gerade durch den digitalen Wandel und angesichts von Künstlicher Intelligenz ist es relevant, Medien und Technik kritisch zu reflektieren.

Kompetenzdimensionen

Instrumentell-qualifikatorische Dimension: Mit Medien versiert umgehen können.

Kognitive Dimension: Kenntnisse über Wirkweisen von Medien und Mediensystemen; Medienangebote rezipieren.

Kreative Dimension: aktiv-produktiv und gestalterisch mit Medien handeln; Medien und Medienangebote weiterentwickeln und umgestalten können.

Soziale Dimension: Soziale Verantwortung für das erworbene Wissen übernehmen; die Gesellschaft aktiv verändern; Medien interaktiv nutzen.

Kritisch-reflexive Dimension: Medienbezogene gesellschaftliche Problemlagen erfassen können; diese Problemlagen auf sich selbst und das eigene Handeln rückbeziehen können.

Zentrale theoretische Annahmen über Kompetenz

Kompetenz hat eine doppelte Bedeutung. Zum einen ist sie das Vermögen eines Menschen, also etwas, das wir alle wie eine "Grundausstattung" (S. 2) besitzen. Zum anderen ist Kompetenz ein Bildungsziel, welches Menschen erreichen sollen und das sich pädagogisch unterstützen lässt. Dieter Baacke hat mit seiner Habilitationsschrift den Grundstein für den medienpädagogischen Diskurs um Medienkompetenz gelegt. Er versteht Medienkompetenz als "Fähigkeit, in die Welt aktiv aneignender Weise auch alle Arten von Medien für das Kommunikations- und Handlungsrepertoire von Menschen einzusetzen" (S. 2). Seine Ideen überdauern vor allem deshalb bis heute, weil er Medienkompetenz nicht mit Blick auf eine bestimmte Technologie definierte. Stattdessen stellt er die Frage, wo und wieso Menschen mit Medien handeln. Die Antwort darauf ist Kommunikation oder Partizipation. Diese Ziele sind auch heute noch relevant, obgleich sich Medien und Technik in den vergangenen 50 Jahren verändert haben. An Dieter Baackes vier Medienkompetenzdimensionen haben sich zahlreiche Autor*innen orientiert und diese weiterentwickelt. Die Dimensionierung wird allerdings nicht ganz unkritisch gesehen. Denn dadurch geraten Verbindungen der Dimensionen untereinander aus dem Blick.

Perspektive der Kompetenzträger*innen auf Kompetenz einbezogen?

keine Angabe

Lebenskontexte der Kompetenzträger*innen einbezogen?

Mit Blick auf heutige Bildungsbedarfe gilt es zu reflektieren, inwiefern IT-Konzerne Einfluss nehmen, welche Strategien und Geschäftsmodelle hinter Online-Plattformen stehen und welche neuen Möglichkeiten durch Künstliche Intelligenz entstehen.

Herausforderungen der Erfassung von Kompetenz

keine Angabe

Quellenangabe

Knaus, T., Merz, O., & Junge, T. (2023). 50 Jahre Medienkompetenz und kein bisschen weiter? Von der Kommunikativen Kompetenz zu DigComp (Editorial). LBzM, 23, 1–20. https://doi.org/10.21240/lbzm/23/01

Zuletzt geändert am 16. Juli 2024.