Empowerment als Handlungskonzept der Medienpädagogik – Ein internationaler Vergleich verschiedener Medienkompetenzmodelle
Kurzbeschreibung
Der vorliegende Beitrag stellt fünf Modelle zu Medienkompetenz und Medienbildung aus unterschiedlichen Teilen der Welt vor und vergleicht sie. Dabei handelt es sich um die in Grossbritannien prominenten «Eighteen Basic Principles» von Len Masterman, die vor allem in Deutschland rezipierten «vier Dimension der Medienkompetenz» von Dieter Baacke und das «Modell der strukturalen Medienbildung» von Benjamin Jörissen und Winfried Marotzki, das aus den USA stammende Modell der «Q/TIPS» von Tessa Jolls und Carolyn Wilson und das brasilianische «EducaMídia-Curriculum» des Instituto Palavra Aberta. Die Befähigung, Medien selbstbestimmt und für die eigenen Zwecke gezielt zu nutzen, spielt in allen Modellen eine wichtige Rolle. Daher analysiert die Autorin, inwiefern das Konzept des Empowerments in der medienpädagogischen Arbeit als Grundlage für professionelles Handeln geeignet ist.
Annahmen über die Folgen der Digitalisierung
Medien sind ein fester Teil unseres Lebens und beeinflussen sowohl soziale Interaktion als auch das gesellschaftliche Zusammenleben. Zugleich verändern sich Technologien ständig. Dies erfordert, dass Kompetenzträger*innenn beständig mit den sich ergebenden gesellschaftlichen, kulturellen und technologischen Änderungen umgehen. So kann beispielsweise in der mediatisierten Gesellschaft Wissen nicht mehr einfach traditionell gelehrt werden.
Kompetenzanforderungen
Das brasilianische Modell wurde unter anderem entwickelt, weil ein Großteil der Bevölkerung im Wahlkampf Fakenews erlag. Hier wird eine Kompetenzanforderung sichtbar. Über alle Modelle wird vor allem als relevant hervorgehoben, kritisch zu denken sowie lebenslang zu lernen. Ausführlich sind Kompetenzanforderungen aus den analysierten Modellen unter der Überschrift Kompetenzdimensionen zusammengefasst.
Kompetenzdimensionen
Instrumentell-qualifikatorische Dimension: Geräte bedienen und digitale Anwendungen nutzen können; neue Tools adaptieren; Probleme lösen und Hilfe suchen, indem man Medien nutzt.
Kognitive Dimension: Medieninhalte dekonstruieren; zum Beispiel Fragen der Autorschaft, der Gestaltung, des Inhalts und Publikums bedenken; Informationen suchen und verwalten können; Hintergrundwissen, um gesellschaftliche Prozesse und Medienentwicklungen zu hinterfragen; Wissen über heutige Medien und Mediensysteme.
Kreative Dimension: Medien(-inhalte) erstellen auf der Grundlage von gut entwickeltem technischem oder kreativem Schreiben; neue Tools finden können; Probleme lösen, indem man Medien nutzt; das Mediensystem innerhalb seiner Logik weiterentwickeln; Grenzen von Kommunikationsroutinen überschreiten; Medien kreativ gestalten.
Soziale Dimension: Verantwortungsvoll mit Medien handeln; Medien bewusst, sicher und verantwortungsvoll zur Selbstdarstellung und Interaktion mit anderen nutzen; in der Gesellschaft handeln, indem man Medien nutzt; Wissen produzieren können.
Kritisch-reflexive Dimension: Informationen einordnen können, zum Beispiel die Absicht hinter einem Medienprodukt; sich der Preisgabe eigener Informationen bewusst sein; Grenzen, Grenzsetzungen und -überschreitungen reflektieren; Medientexte in jedem Format kritisch und gewohnheitsmäßig analysieren; analytisches Wissen auf sich selbst und das eigene Handeln anwenden; analytisches Denken und den reflexiven Selbstbezug als gesellschaftlich verantwortlich begreifen.
Zentrale theoretische Annahmen über Kompetenz
An der Relevanz von Medienkompetenz wird heutzutage kaum mehr gezweifelt. Allerdings gehen die Meinungen auseinander, was es bedeutet, medienkompetent zu sein. Die fünf analysierten Kompetenzmodelle weisen sowohl Ähnlichkeiten als auch Unterschiede auf. Ähnlich sind sie sich beispielsweise darin, dass Critical Thinking ein wiederkehrendes Lernziel bildet. Kritisch-analytische Fähigkeiten werden in allen Modellen angestrebt. Damit besteht Medienkompetenz also aus weit mehr als einer reinen Gerätebedienung. "Medienkompetent zu sein bedeutet daher auch, Orientierungs- und Verhaltensmuster zu besitzen, um sich in einer immer weniger vorhersehbaren digitalisierten Gesellschaft zurechtzufinden" (S. 367). Auch werden Bildung und Medienkompetenz in allen Modellen als zusammengehörig verstanden. Sie sollen Menschen zu einem selbstbestimmten Leben befähigen. Der Fokus liegt stets auf individuellem lebenslangen Lernen. Geprägt sind die Modelle von einem Menschenbild, in dem alle Menschen grunsätzlich kommunikationsfähig sind. Der Abstraktionsgrad der Modelle ist allerdings unterschiedlich. Während das Modell von Benjamin Jörissen und Winfried Marotzki beispielsweise eher auf einer Metaebene angesiedelt ist, beschreibt Dieter Baacke konkrete Kompetenzdimensionen. Zugleich ist das Konzept offen genug gehalten, um den Wandel im Medienbereich berücksichtigen zu können. Ein weiterer Unterschied besteht im gewählten Begriff. So sprechen Benjamin Jörissen und Winfrid Marotzki beispielsweise von Medienbildung (statt von Kompetenz). Dieser Begriff ist weniger gebräuchlich und zugleich einer, der nicht in die Praxis übertragen werden soll.
Perspektive der Kompetenzträger*innen auf Kompetenz einbezogen?
keine Angabe
Lebenskontexte der Kompetenzträger*innen einbezogen?
In allen Kompetenzmodellen schwingt die Annahme mit, dass Medienkompetenz vor allem in der Schule oder in Projekten erworben wird. Jedoch spielte Medienbildung in Deutschland lange keine große Rolle im Schulkontext. Erst 2012 wurde sie curricular verankert. Vielmehr lag sie häufig eher im Verantwortungsbereich des non-formalen Bildungssystems. In den Modellen wird aber auch die Forderung deutlich, dass Kompetenzträger*innen mehr Verantwortung dafür übernehmen sollen, selbst informell weiterzulernen. Dafür bedarf es aber einer entsprechenden individuellen Motivation. Insgesamt stellt die Autorin fest, dass die Förderung von Medienbildung eine Querschnittsaufgabe des Bildungs-, Sozial- und Kultursystems ist, zu der alle etwas beitragen müssen. Dabei sind sowohl individuelle Unterstützung als auch medienpädagogische Netzwerke von Nöten. Zugleich begünstigen möglichst lebensweltnahe Lernsituationen die Förderung von Medienbildung. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass Medienbildung stets vor dem Hintergrund beständigen Wandels stattfindet, an den es sich anzupassen gilt.
Herausforderungen der Erfassung von Kompetenz
keine Angabe
Quellenangabe
Stix, D. C. (2023). Empowerment als Handlungskonzept der Medienpädagogik. MedienPädagogik, 353–379. https://doi.org/10.21240/mpaed/00/2023.11.20.X