Medienkompetenz und Handlungstheorie. Zu Schwächen und Desiderata medienpädagogischer Überlegungen aus handlungstheoretischer Sicht

Kurzbeschreibung

Der Begriff Kompetenz ist mit dem des Handelns eng verbunden, wenn Medienkompetenz als kommunikative Kompetenz verstanden wird. Im Zentrum des vorliegenden Beitrags steht entsprechend der Begriff Handeln. Der Autor skizziert zunächst kommunikationstheoretische und soziologische Sichtweisen auf Kompetenz und Handeln und stellt dabei fest, dass durch ein solches Verständnis pädagogische Aspekte zu kurz kommen. Das führt dazu, dass auch der Begriff der Medienkompetenz Schwächen aufweist. Der Autor empfiehlt daher, dass erstens nicht nur kommunikative Fähigkeiten im Zentrum einer medienpädagogischen Handlungstheorie stehen sollten. Vielmehr gilt es Bedingungen des Handelns zu berücksichtigen, zum Beispiel Emotionen. Zweitens soll stets bedacht werden, welche normativen Implikationen Theorien haben, wenn auf diese zurückgegriffen wird. Drittens soll eine Handlungstheorie auf die Praxis bezogen und empirisch überprüft werden können. Und schließlich sollte aus einer Handlungstheorie abgeleitet werden können, wie Medienkompetenz gefördert werden kann.

Annahmen über die Folgen der Digitalisierung

keine Angabe

Kompetenzanforderungen

keine Angabe

Kompetenzdimensionen

Instrumentell-qualifikatorische Dimension: Speichern und Abrufen; sicher in digitalen Umgebungen agieren, persönliche Daten und Privatsphäre schützen; Werkzeuge bedarfsgerecht einsetzen; technische Probleme lösen.

Kognitive Dimension: Suchen und Filtern; Auswerten und Bewerten.

Affektive Dimension: Gesundheit schützen.

Kreative Dimension: Entwickeln und Produzieren; Weiterverarbeiten und Integrieren.

Soziale Dimension: Interagieren, Teilen, Zusammenarbeiten; Umgangsregeln kennen und einhalten; an der Gesellschaft aktiv teilhaben.

Kritisch-reflexive Dimension: Rechtliche Vorgaben beachten; digitale Werkzeuge und Medien zum Lernen, Arbeiten und Problemlösen nutzen; sicher in digitalen Umgebungen agieren, persönliche Daten und Privatsphäre schützen; Natur und Umwelt schützen; eigene Defizite ermitteln und nach Lösungen suchen; Medien analysieren und bewerten; Medien in der digitalen Welt verstehen und reflektieren.

Zentrale theoretische Annahmen über Kompetenz

Dieter Baackes Medienkompetenzbegriff basiert auf dem Konzept kommunikativer Kompetenz. Kommunikative Kompetenz bezog sich bei Jürgen Habermas lediglich auf gesprochene Sprache, das heißt Menschen müssen sogenannte Sprechakte in einen Diskurs einbringen und verstehen können. Kommunikative Kompetzenz ist somit eine Voraussetzung, damit ein Diskurs entstehen kann. Kritisch sieht der Autor, dass Jürgen Habermas sein Verständnis von Kompetenz und Handeln nicht explizit reflektiert. Kompetenz erscheint zum einen als Fähigkeit, zum anderen aber auch als Ziel, das es anzustreben gilt. Wie Menschen Kompetenz entwickeln, bleibt jedoch ungeklärt. Dieter Baacke erweiterte dieses Verständnis dahingehend, dass er auch Medien und andere Ausdrucksmöglichkeiten berücksichtigte. Medienkompetenz verstand er schließlich als "'systematische Ausdifferenzierung' aus dem Zusammenhang von Kommunikation und Handeln" (S. 2). Wichtig ist, dass Medienkompetenz auf ein Ziel gerichtet ist, das über das Individuum hinausgeht und sich an der Gestaltung eines gesellschaftlichen Diskurses orientiert. Im Gegensatz zu Jürgen Habermas hat Dieter Baacke sein Verständnis von Kompetenz und Handeln detaillierter ausgeführt. Kompetenz hat eine doppelte Bedeutung. Sie ist ein Ziel von Bildung aber auch eine Anlage des Menschen. Das bedeutet, jeder Mensch ist grundsätzlich dazu in der Lage, Medienkompetenz zu entwickeln. Auch der Kompetenzrahmen der Kultusministerkonferenz ist am Begriff des Handelns orientiert, jedoch wird der Begriff nicht reflektiert. Aus pädagogischer Perspektive wäre es sinnvoll, Analysieren und Bewerten als Aspekte zu sehen, die in jeden Kompetenzbereich hineinspielen. Dies ist im KMK-Modell jeoch nicht der Fall, was auf Kritik des Autors stößt. Auch sieht er die Gefahr, dass kritisch-reflexive Aspekte gegenüber sachgerechter Anwendung von Medien im Modell zu kruz kommen.

Perspektive der Kompetenzträger*innen auf Kompetenz einbezogen?

keine Angabe

Lebenskontexte der Kompetenzträger*innen einbezogen?

Kontexte spielen in Jürgen Habermas' Theorie zur kommunikativen Kompetenz teilweise eine Rolle, allerdings bleiben aus pädagogisch-handlungstheoretischer Perspektive viele Bedingungen des Handelns außen vor. Was eine Äußerung wirklich bedeutet, erschließt sich erst in der Situation. So kann beispielsweise derselbe Satz, je nach Situation, als Lob oder ironisch als Tadel gemeint sein. Zugleich braucht es für einen Diskurs im Sinne Jürgen Habermas' eine Situation, die eine herrschaftsfreie Kommunikation möglich macht. In einer solchen soll nur das bessere Argument zählen. Aus pädagogischer Perspektive gilt es dazu allerdings kritisch anzumerken, dass nicht ausgeführt wird, wie sich eine solche Idealsituation in der Praxis annäherungsweise erreichen lässt. Um das Handeln der Menschen zu verstehen, sind darüber hinaus noch andere Faktoren relevant, so zum Beispiel Affekte, Motivation, Bedürfnisse, Erfahrungen und Wissen einer Person. Diese berücksichtigen weder Jügern Habermas noch Dieter Baacke. Dieter Baacke berücksichtigt dafür stärker sogenannte äußere Bedingungen, wie zum Beispiel die Medienwelt von Kompetenzträger*innen.

Herausforderungen der Erfassung von Kompetenz

Der Autor begrüßt Dieter Baackes Versuch, Medienkompetenz empirisch greifbarer zu machen, indem er sie in Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung unterteilt. Dadurch entsteht jedoch zugleich die Gefahr, Teile von Kompetenz aus ihrem Gesamtzusammenhang des Medienhandelns zu reißen.

Quellenangabe

Tulodziecki, G. (2023). Medienkompetenz und Handlungstheorie. LBzM 23, 1–15. https://doi.org/10.21240/lbzm/23/02

Zuletzt geändert am 16. Juli 2024.