Medienkompetenz als messbare schulische Leistung? – Vermittlungsgegenstand Medienkompetenz im Spannungsverhältnis von politischem Rahmen, Theorie und Praxis
Kurzbeschreibung
Wie wird Medienkompetenz in Politik und Wissenschaft verstanden? Und welche Vorstellungen haben Lehrende und Lernende von Kompetenz? Diesen Fragen geht der vorliegende Beitrag nach. Im Zentrum steht dabei stets die Frage, inwiefern Medienkompetenz als eine Schulleistung definiert werden kann. Dazu werden einander zunächst Definitionen aus Politik und Wissenschaft gegenübergestellt. Herausgegriffen werden zum einen das Strategiepapier der Kultusministerkonferenz (KMK) zu Bildung in der digitalen Welt, zum anderen Franz Weinerts Kompetenzdefinition und Dieter Baackes Konzept von Medienkompetenz. Aus diesem Vergleich wird deutlich, dass der Kompetenzbegriff von Franz Weinert in politischen Rahmungen auf Handlungskompetenz verkürzt wird, um Kompetenz messbar zu machen. Eine solche Reduktion lässt sich mit dem umfassenden Kompetenzkonzept Dieter Baackes schwerlich zusammenbringen. Anschließend werden im Kontrast dazu Perspektiven von Lehrkräften und Schüler*innen weiterführender Schulen auf Medienkompetenz dargestellt. Aus diesen verschiedenen Perspektiven kristallisieren sich vor allem zwei Fragen heraus: Inwiefern kann Medienkompetenz überhaupt wie eine Schulleistung gemessen werden? Und ist dies sinnvoll? Denn um Messbarkeit zu erreichen, wurde das Kompetenzverständnis bisher reduziert - vorrangig auf das Bedienen von Medien. Eine solche Reduktion von Medienkompetenz erscheint allerdings unzureichend.
Annahmen über die Folgen der Digitalisierung
Die Digitalisierung wirkt sich auf viele Bereiche der Gesellschaft aus. Daher fordert die Politik eine "flächendeckende Vorbereitung auf die Herausforderungen der heutigen Informationsgesellschaft" (S. 275). Diese soll vor allem die Schule leisten. Dadurch ist Medienkompetenz zu einer Zielgröße schulischer Leistung geworden.
Kompetenzanforderungen
keine Angabe
Kompetenzdimensionen
Instrumentell-qualifikatorische Dimension: Medien produzieren; mit Medien kommunizieren und kooperieren.
Kognitive Dimension: Informationen recherchieren und auswählen.
Kreative Dimension: Medien produzieren.
Soziale Dimension: Mit Medien kommunizieren und kooperieren; Medien präsentieren.
Kritisch-reflexive Dimension: Medien analysieren und bewerten; Mediengesellschaft verstehen und reflektieren.
Zentrale theoretische Annahmen über Kompetenz
Während im internationalen Diskurs vor allem von Literacy gesprochen wird, liegt der Fokus im deutschsprachigen Raum auf dem Begriff Kompetenz. Das Verständnis von Medienkompetenz unterscheidet sich jedoch zwischen Politik, Bildungswissenschaft und Praxis. So können damit zum einen Anforderungen an alle Menschen gemeint sein, aktiv an neuen Medienentwicklungen teilzuhaben. Zum anderen lässt sich Medienkompetenz auch als Förderprogramm zum Umgang mit Medien verstehen. Im deutschsprachigen Raum wird über Medienkompetenz als zentralem theoretischen Konstrukt seit den 1990er Jahren diskutiert. Dieses wird jedoch nicht einheitlich definiert. So wird zum Beispiel manchmal zwischen digitaler Kompetenz und Medienkompetenz unterschieden, manchmal wird beides synonym verwendet. Medienkompetenz meint jedoch in Ansätzen aus der Wissenschaft meistens mehr als reines Bedienwissen. Anders erscheint das in politischen Rahmungen, wie beispielsweise der KMK-Strategie zur Bildung in der digitalen Welt. Ausgangspunkte für die KMK-Strategie bilden neben Kompetenzdefinitionen von Franz Weinert und Eckhardt Klieme sowie dem Konzept von Dieter Baacke folgende Kompetenzmodelle: (1) Das DigComp-Modell der Europäischen Kommission, (2) ein Modell computer- und informationsbezogener Kompetenzen sowie (3) ein kompetenzorientiertes Konzept für schulische Medienbildung. Aus diesen Grundlagen lassen sich wesentliche Merkmale von Kompetenz bestimmen: Digitale Kompetenz wird als querliegend zu anderen Kompetenzen begriffen. Ihr Ziel besteht in der aktiven Teilhabe an der Gesellschaft. Kompetenz gilt als erlernbar und meint, Anforderungen in bestimmten Situationen bewältigen zu können. Gemein ist den drei Modellen aber vor allem, dass sie den Fokus auf die kompetente Anwendung digitaler Medien für die berufliche Zukunft legen. Diese Fokussierung auf Handlungskompetenz erntete Kritik von Seiten der Bildungswissenschaften, da kritische Reflexion nicht ausreichend betrachtet wird. Der Kompetenzbegriff ist auch im Schulbereich von Bedeutung. Hier sind Kompetenzen allerdings wieder anders gefasst, nämlich als konkrete Ziele in Curricula, die anhand von Standards überprüft werden können. So konkret sind die Kompetenzen in der KMK-Strategie allerdings nicht benannt. Sie bilden eher einen Orientierungsrahmen.
Perspektive der Kompetenzträger*innen auf Kompetenz einbezogen?
In der Studie beschreiben sowohl Schüler*innen als auch Lehrende, was sie unter Medienkompetenz verstehen. Beide Gruppen sprechen den Umgang an, zum Beispiel im Sinne von Bedienfähigkeit. Allerdings ist nicht immer klar ist, was sie mit Umgang meinen. Insgesamt beschreiben sie Medienkompetenz jedoch eher oberflächlich und abstrakt.
Lebenskontexte der Kompetenzträger*innen einbezogen?
Digitale Medien zu nutzen reicht allein nicht aus, um eine umfassende Medienkompetenz zu entwickeln. Ebenso ist es unzureichend, Medienkompetenz in der Schule allein anhand der Handhabung digitaler Medien messen zu wollen. Denn eine vereinfachte Usability erlaubt mittlerweile eine einfachere Aneignung auch außerhalb von Bildungsinstitutionen. Vor allem die Schule ist gefordert, die Entwicklung von Medienkompetenz zu unterstützen. Wie sehr Medienkompetenzförderung betrieben wird, unterscheidet sich aber von Schule zu Schule - unter anderem, weil eine Kontrolle von Seiten der Schulbehörden fehlt. Laut KMK-Strategie sollte sie fächerübergreifend stattfinden. Andere wichtige Faktoren sind Haltung sowie selbst eingeschätzte Kompetenz der Lehrpersonen. Aber auch die technische Ausstattung spielt für die Vermittlung von Medienkompetenz eine Rolle.
Herausforderungen der Erfassung von Kompetenz
Auch wenn in der KMK-Strategie nicht direkt von Messbarkeit gesprochen wird, entsteht der Eindruck, dass Medienkompetenz in Form der Anwendung digitaler Medien messbar sei. Dies kollidiert mit theoretischen Konzepten, die der KMK-Strategie zugrunde liegen. Denn bereits Franz Weinert gab an, dass sein Kompetenzverständnis nicht auf dessen Messung ausgelegt ist. Für zukünftige Forschung zum Verständnis von Medienkompetenz empfehlen die Autor*innen, Lehrende und Lernende in allen Bundesländern zu befragen, um unterschiedliche Verständnisse im Schulkontext abbilden zu können.
Zentrale empirische Befunde über Kompetenz
Sowohl Schüler*innen als auch Lehrkräfte finden Medienkompetenz wichtig. Sie unterscheiden sich aber sowohl darin, wie sie Medienkompetenz als auch wie sie Vermittlungsziele verstehen. Ihnen erscheint für den Berufsalltag vor allem wichtig, digitale Medien benutzen zu können. Lernende sprechen dabei nicht nur Bedienwissen an, sondern auch allgemeines Wissen über Mediensysteme. Zielorientiertes Handeln verbinden also beide Gruppen mit Medienkompetenz. Die Schilderungen spiegeln die Definition der KMK-Strategie jedoch eher indirekt wider. Medien spielen für Lehrende und Lernende unterschiedliche Rollen. Lehrkräfte sehen sie vor allem als Instrumente, deren Bedienung es zu erlernen gilt. Lernende erfahren grundlegende Handlungskompetenz hingegen bereits selbst. Sie trennen nicht zwischen digitaler und analoger Lernwelt.
Quellenangabe
Becker, J., & Meyer, F. (2024). Medienkompetenz als messbare schulische Leistung? Vermittlungsgegenstand Medienkompetenz im Spannungsverhältnis von politischem Rahmen, Theorie und Praxis. In J. Becker, M. Tribukait & A. Weich (Hrsg.), Transformationen der Leistung in Schule und Bildungsmedien (Bildungsmedienforschung, Band 154, S. 269–296). V&R unipress. https://doi.org/10.14220/9783737016438.269
Sonstige Anmerkungen
Die Autor*innen kommen zu dem Schluss, dass zukünftig vor allem Vermittlungsstrategien interessant sein könnten, die weniger auf Output und den Vergleich von Leistungen zwischen Schüler*innen ausgelegt sind.