Kritische Medienkompetenz in der Erwachsenenbildung als aufgeklärte Medienpädagogik?
Kurzbeschreibung
Was ist kritische Medienkompetenz? Welche Rolle spielt sie in der Erwachsenenbildung und welche sollte sie dort spielen? Diese Fragen stehen im Zentrum des vorliegenden Beitrags. Einführend skizzieren die Autor*innen verschiedene Ansätze innerhalb der Medienpädagogik. Anschließend erörtern sie ausgehend von Dieter Baackes Medienkompetenzbegriff, was Medienkompetenz umfasst. Dazu werden auch Ergebnisse einer qualitativen Studie eingebunden. Dabei wird betont, dass Medienbildung mehr als Anwendungswissen vermitteln muss, wenn sie ihr demokratiepolitisches Potenzial einlösen möchte.
Annahmen über die Folgen der Digitalisierung
Durch das Internet hat sich sowohl die Zugänglichkeit als auch die Kuratierung von Informationen verändert. Informationen jeder Art sind heute viel leichter zugänglich und potenziell alle Menschen können selbst Medieninhalte produzieren. Zugleich verschwinden klassische Gatekeeper. Stattdessen werden Informationen zunehmend durch Algorithmen kuratiert. Für die Medienpädagogik ergeben sich zahlreiche Herausforderungen angesichts digitaler Medien sowie Phänomenen wie einem sinkenden Vertrauen in etablierte Medien, Fake News, Verschwörungsmythen, Echokammern und Filterblasen.
Kompetenzanforderungen
Gerade ältere Menschen benötigen Nutzungskompetenzen, beispielsweise im Umgang mit Künstlicher Intelligenz oder wenn es darum geht, Fakten zu prüfen.
Kompetenzdimensionen
Instrumentell-qualifikatorische Dimension: Privatsphären-Einstellungen am Handy richtig nutzen; private Daten sichern; Gesundheitsinformationen über Apps abrufen; sich vor Betrug beim Online-Shopping schützen.
Kognitive Dimension: Nachrichten und Medieninhalte verstehen; Medien und Medieninhalte auswählen und selektieren können; Recherchefähigkeiten; Wissen über den Kontext der Medienlandschaft; Wissen über verschiedene Dynamiken der Medienkonzentration; Kenntnisse über die demokratieförderlichen Funktionen von Medien „als Vierte Gewalt“.
Affektive Dimension: Emotionale Kompetenz.
Kreative Dimension: Medien und Medieninhalte selbst mitgestalten können.
Soziale Dimension: Selbstbestimmt an Diskursen der demokratischen Gesellschaft teilnehmen; Medien zur gezielten politischen Beteiligung nutzen.
Kritisch-reflexive Dimension: Den Wahrheitsgehalt von Fake News und Verschwörungsmythen in den (sozialen) Medien kritisch reflektieren; sich individueller und gesamtgesellschaftlicher Folgen der „digitalen Revolution“ bewusst sein; kritische Orientierungsfähigkeit; Medien und Medieninhalte reflektieren, bewerten, kritisieren und einordnen können; Nachrichten und Medieninhalte kritisch einordnen; (subjektive) Medieneffekte, rhetorische Mittel, Sender*innen und dahinter liegende Medienstrategien hinterfragen; sich der Gefahren einer Überlagerung der Logik der Politik durch die Logik des Mediensystems bewusst sein; Mechanismen des „Politainment“ kritisch betrachten; sich mit Fragen nach ungleichen Zugangsmöglichkeiten zu digitalen Infrastrukturen, Grenzziehungen zwischen Öffentlichkeit und Privatheit befassen; sich mit Fake News, Propaganda, Echokammern und Verschwörungsmythen kritisch auseinandersetzen.
Zentrale theoretische Annahmen über Kompetenz
Der Begriff Medienkompetenz ist vielfältig. Die Autor*innen fassen ihn zusammen als "komplexes und voraussetzungsvolles Bündel von Einzelkompetenzen in unterschiedlichen Bereichen, die nicht vom Wissen über mediale, aber auch politische, historische und gesellschaftliche Kontexte zu trennen sind" (S. 17). In einer handlungsorientierten Medienpädagogik zielt er auf die kritische Auseinandersetzung mit Medien - anders als bewahrpädagogische Ansätze, die Nutzende als passive Rezipierende betrachten, die sich nur durch Ablehnung oder Aufklärung schützen können. Medienkompetenz umfasst sowohl Aussagen zu vorhandenen als auch erwünschten Fähigkeiten. Dabei sollte der Begriff nicht auf Nutzung reduziert werden. Medienreflexionskompetenzen sind mindestens ebenso relevant, denn Medienkompetenz beschreibt nicht kritiklose Medieneuphorie. Kritische Medienkompetenz wird als "Eckpfeiler einer aufgeklärten Medienpädagogik" als auch als "Grundpfeiler einer funktionierenden Demokratie" (S. 2) verstanden. Der Umgang mit Medien wird dabei nicht als risikolos und frei von Herrschaftsverhältnissen verstanden.
Perspektive der Kompetenzträger*innen auf Kompetenz einbezogen?
keine Angabe
Lebenskontexte der Kompetenzträger*innen einbezogen?
Um am öffentlichen Diskurs partizipieren zu können, müssen verschiedene Hürden überwunden werden. Zum einen haben nicht alle Menschen gleichermaßen Zugang zum Internet. Vor allem für Menschen in ökonomisch prekären Verhältnissen, Ältere und Teile der Bevölkerungen mittel- und westafrikanischer Staaten ist der Zugang zum Internet aus verschiedenen Gründen erschwert. Zum anderen müssen die Menschen Medien grundlegend nutzen können, um sich am öffenlichen Diskurs beteiligen zu können. Die Autor*innen problematisieren, dass mit zunehmendem Alter die Medienkompetenz tendenziell abnimmt.
Herausforderungen der Erfassung von Kompetenz
keine Angabe
Zentrale empirische Befunde über Kompetenz
Es zeigt sich, dass vor allem im Bereich der Mediennutzung ein großer Bedarf in der Erwachsenenbildung besteht. In bisherigen Angeboten liegt der Fokus bezüglich kritischem Umgang eher auf dem bedarfsgerechten Einstellen von Geräten. Gemeint sind hier beispielsweise Privatsphären-Einstellungen am Handy richtig zu nutzen, private Daten zu sichern, eigene Gesundheitsinformationen über Apps abzurufen oder sich vor Betrug beim Online-Shopping zu schützen. Faktenchecks oder Quellen- und Ideologiekritik stehen weniger im Zentrum. Um kritische Medienkompetenz zu erwerben, wünschen sich die Befragten alternative - weniger formale - Formate. Zugleich wird deutlich, dass Erfahrungen in der Gestaltung von Medien für kritische Medienbildung wichtig sind. Es bestehen hier aber auch deutliche Hürden in der Erwachsenenbildung.
Quellenangabe
Mühlbauer, J., Fridrik, S., Mayer, S., Temel, B., & Eberhardt, V. (2024). Kritische Medienkompetenz in der Erwachsenenbildung als aufgeklärte Medienpädagogik? Medienimpulse, 62(1). https://doi.org/10.21243/mi-01-24-09