Digitalisierungsbezogene Kompetenzen für die Lehrer:innenbildung in Sachsen – Ein Kompetenzkatalog
Kurzbeschreibung
Der Kompetenzkatalog „DiKoLiS“ umfasst zentrale digitalisierungsbezogene Kompetenzen, die Lehrkräfte für professionelles Handeln in den schulischen Aufgabenfeldern Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren benötigen. Neben den spezifischen digitalisierungsbezogenen Kompetenzen des Unterrichtens, Erziehens, Beurteilens und Innovierens umfasst der Katalog informatische, medienpädagogische und vielfaltsbezogene Grundkompetenzen. Diese werden als grundlegende Voraussetzungen für professionelles Handeln von (angehenden) Lehrkräften in allen schulischen Aufgabenfeldern angesehen. Der Katalog beinhaltet also sieben Kompetenzbereiche. Diese Kompetenzbereiche sind wiederum in Kompetenzfelder untergliedert, für die sich konkrete digitalisierungsbezogene Kompetenzen formulieren lassen. Damit in der Aus-, Fort- und Weiterbildung, für die der Katalog genutzt werden soll, alle Komponenten von Kompetenz adressiert werden können, werden die digitalisierungsbezogenen Kompetenzen in Wollen (motivational-volitionale Komponente, zum Beispiel Einstellungen), Wissen (Wissenskomponente) und Können (Handlungskomponente) differenziert. Auf diese Weise entsteht ein umfassendes Bild der Kompetenzen, die für das professionelle Handeln von Lehrkräften in der digitalisierten Welt erforderlich sind. In der umfangreichen wissenschaftlichen Publikation werden die einzelnen Kompetenzbereiche des Katalogs theoretisch fundiert dargelegt und anhand von Beispielen aus der Schulpraxis in ihrer Relevanz begründet. Die Publikation enthält zudem einige Best-Practice-Beispiele aus dem Projekt „PraxisdigitaliS“. Diese zeigen, wie die Förderung digitalisierungsbezogener Kompetenzen in der ersten Phase der Lehrer*innenbildung gelingen kann. Bei der theoretisch-konzeptionellen Entwicklung des Katalogs digitalisierungsbezogener Kompetenzen für die Lehrer*innenbildung in Sachsen im Rahmen von PraxisdigitaliS wurde auf die verschiedenen Rahmenwerke und Modelle Bezug genommen, die für die Lehrer*innenbildung relevante digitalisierungsbezogene Kompetenzen abbilden, und daraus interdisziplinär eine eigene Systematisierung erarbeitet.
Annahmen über die Folgen der Digitalisierung
Teilhabe aller Gesellschaftsmitglieder ist in einer mediatisierten und von einer Kultur der Digitalität geprägten Gesellschaft nur möglich, wenn die Schlüsselkompetenzen, digitale Medien selbstbestimmt, kreativ, kritisch-reflektiert und sozial verantwortlich zu nutzen vorhanden sind.
Kompetenzanforderungen
Die Autor*innen betonen die Notwendigkeit, erstens (angehende) Lehrkräfte dazu zu befähigen in schulischen Kontexten Lehr- und Lernprozesse mit digitalen Medien didaktisch begründet und reflektiert zu gestalten, zweitens diese digitalisierungsbezogenen Kompetenzen der Schüler*innen zu fördern und drittens digitalisierungsbezogene Kompetenzen für die Professionalisierung als Lehrkraft in einer digitalen Welt stetig weiterzuentwickeln. Neben den spezifisch digitalisierungsbezogenen Kompetenzen des Unterrichtens, Erziehens, Beurteilens und Innovierens umfasst der Katalog grundlegende informatische, medienpädagogische und vielfaltsbezogene Grundkompetenzen. Medienpädagogische Grundkompetenzen sind 1. mediendidaktische Kompetenzen der Anregung und Unterstützung von Lehr-Lernprozessen mit digitalen Medien, 2. medienerzieherische Kompetenzen der Wahrnehmung medienbezogener Erziehungs- und Bildungsaufgaben, 3. schulentwicklungsbezogene Kompetenzen der „Gestaltung von personalen, infrastrukturellen, rechtlichen oder organisatorischen Bedingungen für medienpädagogische Maßnahmen und deren Ausgestaltung“ 4. mediensozialisationsbezogene Kompetenzen im Hinblick auf die Berücksichtigung der Lernvoraussetzungen von Schüler*innen sowie 5. die eigene Medienkompetenz. Informatorische Grundkompetenzen sind bezogen auf Informatiksysteme und Netzwerke, auf den Bereich „Information und Daten“ sowie Algorithmen. Hinzu kommt der Bereich „Informatik, Mensch und Gesellschaft“. Hier steht die Reflexion der Auswirkungen informatischer Systeme und Phänomene auf den Alltag der (angehenden) Lehrer*innen wie auch der Schüler*innen im Zentrum.
Kompetenzdimensionen
Instrumentell-qualifikatorische Dimension: Dokumentation; Recherche; Bewertung; Präsentation; Dateiformate gezielt auswählen und Datenschutzmaßnahmen anwenden können; können sich Software selbstständig erschließen und für ihren konkreten Anwendungsfall und zur individuellen Förderung anpassen; Medienkunde; Bedienfähigkeiten; Mediennutzung; rezeptives wie auch interaktives Medienhandeln; informatorische Grundkompetenzen; auftretende Probleme den jeweiligen Komponenten zuordnen und Lösungsstrategien anwenden können.
Kognitive Dimension: Wissen über Medien, Mediensysteme und -strukturen, Lernstand digital erheben; digital erhobene Lernstandsdaten analysieren; Wissen über Information und Daten, über Algorithmen, über Informationssysteme und Netzwerke; Informatiksysteme in der Umwelt benennen können; den Grundaufbau von Informatiksystemen erläutern können; skizzieren können wie Datenübertragung in Netzwerken funktioniert; Prozess der Transformation von Information in Daten skizzieren können; Datenschutzmaßnahmen mit dem nötigen Hintergrundwissen anwenden; den Unterschied zwischen Handlungsanweisungen und Algorithmendefinieren; begründen können, warum Algorithmen zur Ausführung auf Informatiksystemen bestimmte Eigenschaften erfüllen müssen; wissen von den Möglichkeiten und Grenzen (vernetzter) Informatiksysteme; wissen, wie Informatiksysteme Daten codieren, speichern und übertragen; wissen, wie (Lern-) Software aufgebaut ist und wie darin Daten automatisch durch Algorithmen verarbeitet werden; wissen, wie und in welchen Bereichen Informationstechnik die Gesellschaft bereits beeinflusst und in Zukunft beeinflussen wird; auftretende Probleme den jeweiligen Komponenten zuordnen und Lösungsstrategien anwenden können; Grundbegriffe der Medienpädagogik sowie theoretische und (forschungs-)methodische Ansätze kennen; Kenntnisse von einschlägigen und aktuellen Forschungsergebnissen zu Fragestellungen der Medienpädagogik; Medienkunde.
Affektive Dimension: Sicherheit bieten; Orientierung geben.
Kreative Dimension: Mediengestaltung; innovatives Weiterentwickeln des Mediensystems; kreatives Hinausgehen über eigene Kommunikationsroutinen.
Soziale Dimension: Partizipation ermöglichen; aktive Medienarbeit anregen; Präsenz in Medien ermöglichen; Teilhabe an Medien ermöglichen; Teilhabe durch Medien ermöglichen; bestehende Informatiksysteme mit Soft- und Hardwarekomponenten erweiternkönnen; Informatiksysteme zur zieladäquaten Mensch-Maschinen-Interaktion anpassen können; auftretende Probleme den jeweiligen Komponenten zuordnen und Lösungsstrategien anwenden können; interaktives Medienhandeln.
Kritisch-reflexive Dimension: beurteilen; bewerten; sicher nutzen; Vor- und Nachteile unterschiedlicher Dateiformate hinsichtlich ihrer technischen Eigenschaften beurteilen; Datenschutzmaßnahmen aus informatischer Sicht begründen; Datenschutzmaßnahmen mit dem nötigen Hintergrundwissen anwenden; Chancen und Risiken der Datenspeicherung und Datenzusammenführung bewerten; Algorithmen hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Relevanz bewerten; wissen, wie und in welchen Bereichen Informationstechnik die Gesellschaft bereits beeinflusst und in Zukunft beeinflussen wird; aktuelle und zukünftige Auswirkungen der Informatik auf ihre Fächer erkennen können; Medienkritik; problematische gesellschaftliche Prozesse analytisch erfassen, reflexiv auf das eigene Handeln beziehen und ethisch bewerten; in ihren beruflichen Aufgabenfeldern adressat*innenorientiert handeln, indem sie ihre persönlichen Haltungen gegenüber digitalen Medienwelten von Schüler*innen sowie digitalen Medien und Digitalisierungsprozessen reflektieren und eine professionelle kritisch-optimistische Perspektive sowie eine forschende Grundhaltung einnehmen; ihre medienpädagogischen Aus-, Fort- und Weiterbildungsbedarfe identifizieren und bedarfsorientiert entsprechende Angebote auswählen können; sich neue Kompetenzen aneignen und Unterstützung bzw. (externe) fachliche Expertise einholen; (aktuelle) digitalisierungsbezogene Entwicklungen in Bezug auf den medienpädagogischen Gegenstandsbereich Subjekt, Medien und Gesellschaft in ihrer Bedeutung für Schule und Unterricht kennen; über Wissen im Hinblick auf ihre schulische medienpädagogische Praxis, deren institutionelle und rechtliche Rahmenbedingungen sowie relevante medienpädagogische (Bildungs-)Angebote verfügen.
Zentrale theoretische Annahmen über Kompetenz
Das im Text entwickelte Modell bzw. der Katalog formuliert Anforderungen an angehende Lehrkräfte im Rahmen der digitalisierungsbezogenen Kompetenzen in den schulischen Aufgabenfeldern (Unterrichten, Erziehen, Beurteilen, Innovieren) und digitalisierungsbezogenen Grundkompetenzen (Informatorische, medienpädagogische und vielfaltsbezogene Grundkompetenzen). Im Bereich der medienpädagogischen Grundkompetenzen werden 1. mediendidaktische Kompetenzen der Anregung und Unterstützung von Lehr-Lernprozessen mit digitalen Medien, 2. medienerzieherische Kompetenzen der Wahrnehmung medienbezogener Erziehungs- und Bildungsaufgaben, 3. schulentwicklungsbezogene Kompetenzen der Gestaltung von personalen, infrastrukturellen, rechtlichen oder organisatorischen Bedingungen für medienpädagogische Maßnahmen und deren Ausgestaltung verstanden, 4. mediensozialisationsbezogene Kompetenzen im Hinblick auf die Berücksichtigung der Lernvoraussetzungen von Schüler*innen (z. B. Nutzungsgewohnheiten, Medienkompetenz, Medienwelten) sowie 5. die eigene Medienkompetenz der (angehenden) Lehrkräfte verstanden. Da (noch) nicht davon auszugehen ist, dass medienpädagogische Grundkompetenzen im Rahmen der eigenen (schulischen oder universitären) Mediensozialisation der (angehenden) Lehrkräfte hinreichend erworben werden konnten, ist für professionelles medienpädagogisches Handeln vor allem die Fähigkeit von zentraler Bedeutung, beruflich relevante Medienkompetenzen in den genannten Bereichen zu identifizieren und die eigene Medienkompetenz entsprechend (weiter) zu entwickeln. Die Autor*innen fordern daher, dass angehende Lehrkräfte Kompetenzen in allen vier Dimensionen von Medienkompetenz (nach Baacke 1996) erwerben und weiterentwickeln.
Perspektive der Kompetenzträger*innen auf Kompetenz einbezogen?
Aus den Kompetenzen, die im schulischen Kontext bei Schüler*innen gefördert werden sollen, leiten die Autor*innen ab, welche Kompetenzen auf Seiten der (angehenden) Lehrkräfte notwendig sind.
Lebenskontexte der Kompetenzträger*innen einbezogen?
Aus den Kompetenzen, die im
Herausforderungen der Erfassung von Kompetenz
Die Autor*innen weisen kritisch darauf hin, dass die Kompetenzbereiche für Schüler*innen bereits klar definiert seien (sechs Kompetenzbereiche (1) Suchen, Verarbeiten und Aufbewahren, (2) Kommunizieren und Kooperieren, (3) Produzieren und Präsentieren, (4) Schützen und sicher Agieren, (5) Problemlösen und Handeln sowie (6) Analysieren und Reflektieren). Eine große Herausforderung stellt dar, dass bislang nicht klar erarbeitet wurde, welche professionellen digitalisierungsbezogenen Kompetenzen (angehende) Lehrkräfte benötigen, um Schüler*innen den Kompetenzerwerb zu ermöglichen sowie in ihren beruflichen Aufgabenfeldern in einer digitalen Welt professionell zu handeln. Der Lehrer:innenbildung fehlt es damit an einer Grundlage für die adäquate Aus-, Fort und Weiterbildung von Lehrkräften. Hieraus leiten die Autor*innen ihre eigenen Anstrengungen zur Erarbeitung der digitalisierungsbezogenen Kompetenzen und deren Operationalisierung ab.
Quellenangabe
Ganguin, S., Nickel, J., Baberowski, D., Berger, I., Bergner, N., Funke, M., Glück, C. W., Gottlebe, K., Haubold, R., Kehm, S., Latzko, B., Seever, F., Stiehler, C., Tiemann, H., Wirths, H., Wollmann, K., & Zabel, J. (Hrsg.). (2023). DiKoLiS: Digitalisierungsbezogene Kompetenzen für die Lehrer:innenbildung in Sachsen – Ein Kompetenzkatalog.