Welcher KI-Typ sind Sie? Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage zu Wissen, Kompetenz und Umgang mit Künstlicher Intelligenz
Welcher KI-Typ sind Sie? Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage zu Wissen, Kompetenz und Umgang mit Künstlicher Intelligenz
Im Frühjahr 2023 stehen wir mitten in der Diskussion um die gesellschaftliche Bedeutung von KI-Technologien, die spätestens, seit im November 2022 die Software „Chat Generative Pretrained Transformer“ (bekannter als ChatGPT) vorgestellt wurde, auch in der Breite der Bevölkerung angekommen ist. Ebenso wie in den Fachdiskursen verschiedener Disziplinen und im begleitenden politischen Diskurs steht auch in der Öffentlichkeit die Frage im Raum, ob sich digitale Strukturen schneller verändern, als der Mensch mit dem Erwerb von Wissen und umgangsrelevanten Kompetenzen hinterherkommt.
Die Repräsentativbefragung „Kompass: Künstliche Intelligenz und Kompetenz 2022“ nimmt die Dynamik des gegenwärtigen Diskurses auf und soll das Spektrum der in der Bevölkerung vorherrschenden Voraussetzungen zur kritischen Einschätzung dieser Technologien und zur Aneignung entsprechender Kompetenzen aufzeigen. Im Rahmen des Projekts Digitales Deutschland befragte Infratest dimap im Januar 2021 im Auftrag des JFF 1.602 Bürger*innen in Deutschland ab 12 Jahren zu ihrer Vorstellung von KI, ihrem Wissen, ihren Einstellungen und ihrem Umgang mit KI-Systemen.
Die Befragungsergebnisse zeigen deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Bevölkerungsteilen hinsichtlich ihrer Erfahrungen mit und Einstellungen zu digitalen Medien und KI und der Selbsteinschätzung ihrer eigenen Bewertungs- und Umgangskompetenzen. Diese Ergebnisse lassen sich entlang der üblichen soziodemografischen Differenzierungsmerkmale Alter, formale Bildung und Geschlecht darstellen. Stark verkürzt kann gesagt werden: Je älter die Befragten sind, desto weniger von ihnen schätzen ihre Handlungskompetenzen als gut oder sehr gut ein – sowohl in Bezug auf digitale Medien als auch in Bezug auf Künstliche Intelligenz. Je höher der formale Bildungsstand, desto eher schätzen die Befragten ihre KI-bezogenen Kompetenzen als gut oder sehr gut ein. Frauen schätzen ihr Wissen zu Künstlicher Intelligenz deutlich verhaltener ein als Männer. [1]
Diese statistisch geprüften Unterschiede lassen aus medienpädagogischer Sicht, die Handlungsbedarfe für Bildungsarbeit sowie Politik ableiten will, allerdings Fragen offen. Ein genauerer Blick in die Befragungsergebnisse zu Alter, Bildung und Geschlecht zeigt, dass es zu allen Ergebnistrends auch Ausnahmen gibt: Ältere Menschen, die häufig mit digitalen Medien umgehen. Menschen mit niedriger formaler Bildung, die KI als persönliche Chance betrachten. Frauen, die ihr KI-bezogenes Wissen als gut einschätzen. Hier schließt sich die Frage an, welche besonderen Erfahrungen oder Lebenslagen daran beteiligt sind, dass diese Personen der medientechnologischen Entwicklung offener und/oder souveräner gegenüberstehen als andere.
Einen ersten Schritt zur Beantwortung dieser Frage geht der dritte Ergebnisbericht des „Kompass: Künstliche Intelligenz und Kompetenz“. Zur Kontrastierung der an soziodemografischen Merkmalen orientierten Auswertung wurde bewusst ein Auswertungsverfahren gewählt, das nicht entlang der (in gewissem Maße deterministischen) Soziodemografie verläuft, sondern Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den dynamischeren Variablen zu Bewertungen, Einschätzungen und zum eigenen Handeln sucht. Statistisch wurde die Stichprobe mittels einer latenten Klassenanalyse (im Folgenden LCA) in maximal homogene Klassen eingeteilt, die zugleich zwischen den Klassen maximal heterogen sind. Dabei wurden fünf Variablen einbezogen: (1) die Nutzung digitaler Anwendungen, (2) die Selbsteinschätzung medienbezogener Kompetenz und (3) des Wissens zu KI sowie (4) die Bewertung von KI sowohl im Hinblick auf das eigene Leben als auch (5) auf die Gesellschaft als Ganzes. Auf theoretischer Ebene ist diesen Variablen gemein, dass sie eine hypothetische Bedeutsamkeit für die Entwicklung medienbezogener Kompetenz aufweisen.
Die Berechnung der LCA ergab eine Einteilung in drei Typen, die sich jeweils innerhalb eines Typus der genannten fünf Variablen ähneln, aber zugleich hinsichtlich ihrer soziodemografischen Merkmale unterschiedlich sein können. Diese drei Typen werden entsprechend der Ergebnisse als die Selbstsicheren, die Moderaten und die Verhaltenen benannt und im Folgenden vorgestellt.
Typ 1: die Selbstsicheren
Die Selbstsicheren zeichnen sich durch eine optimistische, aber nicht unkritische Haltung gegenüber KI aus. Für das eigene Lebensehen 56 Prozent KI tendenziell als Chance. Geht es um die gesellschaftlichen Folgen, sehen 48 Prozent sie als Chance. Zugleich schätzen aber auch 17 Prozent KI als gesellschaftliches Risiko ein, was einen höheren Anteil kritischer Einstellungen darstellt als etwa bei der Gruppe der Moderaten.
Die Nutzung digitaler Medien ist bei den Selbstsicheren breit gefächert und zeitlich intensiv. 92 Prozent nutzen täglich Messenger-Dienste und 90 Prozent täglich Suchmaschinen. Weitere täglich genutzte Anwendungen sind soziale Netzwerke (59 %) oder Streaming-Anbieter wie Netflix (34 %). Allerdings ist das jeweils individuelle Medienensemble der Selbstsicheren sehr heterogen. Dies ist unter anderem bei der Nutzung sozialer Netzwerke der Fall, bei denen mehr als drei Viertel der Befragten angeben, Anwendungen wie Instagram mindestens einmal pro Woche zu verwenden. Gleichzeitig geben 15 Prozent der Selbstsicheren an, nie soziale Netzwerke zu nutzen.
Ihre medienbezogenen Kompetenzen schätzen die Selbstsicheren, wie der Name nahelegt, überwiegend positiv ein. Dies betrifft die kognitiven und kritisch-reflexiven ebenso wie die instrumentell-qualifikatorischen Dimensionen von Medien- und Digitalkompetenz. Die Selbstsicheren schätzen dabei ihre Fähigkeiten, sich online aus verschiedenen Quellen zu informieren (99 %), zu entscheiden, ob diese Online-Informationen auf glaubwürdigen Quellen beruhen (92 %), oder die Voreinstellungen von Geräten zu ändern (96 %) als (sehr) gut ein.
In Bereichen der sozialen, affektiven und kreativen Dimension von Medienkompetenz sind 99 Prozent der Ansicht, sich mühelos mit anderen digital austauschen zu können oder Inhalte auswählen zu können, die sie unterhalten (95 %).
In der Gruppe der Selbstsicheren wird das Wissen bezüglich KI von einem Großteil der Befragten als (sehr) gut eingeschätzt. 98 Prozent geben an zu wissen, dass KI-Systeme aus Daten lernen und 97 Prozent geben an zu wissen, dass Menschen eine wichtige Rolle beim Programmieren der KI spielen. Das Wissen, welche ethischen Probleme KI mit sich bringen kann, geben 91 Prozent als vorhanden an, wie auch das Wissen, wie maschinelles Lernen funktioniert (74 %). In diesen Wissensbereichen, die beide technische Aspekte der KI betreffen, fällt auf, dass sich unter den Selbstsicheren im Vergleich zu den anderen beiden Gruppen besonders viele Wissen dazu zuschreiben.
Soziodemografisch setzt sich diese Gruppe von Befragten zu 71 Prozent aus Personen im Alter von 20 bis 49 Jahren zusammen. Sie weist insgesamt einen höheren Anteil von Männern (63 %) als Frauen (37 %) auf. Ein Großteil der Befragten hat einen mittleren (50 %) oder einen hohen Bildungsabschluss (39 %).
Typ 2: die Moderaten
Als zweiter Typus wurden die Moderaten identifiziert. Diejenigen, bei denen eher eine positive bis ambivalente Haltung bezüglich KI besteht, sehen dabei KI mehrheitlich als persönliche Chance (46 %), wobei ein ähnlich hoher Anteil eher eine ambivalente Meinung vertritt. Ähnliche Ergebnisse lassen sich auch auf der gesellschaftlichen Ebene identifizieren, was auf ein kontroverses Meinungsbild innerhalb dieses Typus hindeutet.
Von der Mehrzahl der Moderaten werden Messenger (87 %) und Suchmaschinen (76 %) täglich genutzt, wobei die individuellen Medienensembles der Moderaten recht unterschiedlich sind und auf eine individuelle und ausgewählte, aber insgesamt vielseitige Anwendungsnutzung hindeuten.
Ihre medienbezogenen Kompetenzen halten die Moderaten überwiegend für (sehr) gut. Differenziert nach verschiedenen Kompetenzdimensionen schätzen sich die Befragten jedoch nicht konsistent als sehr gut ein. So fällt der Bereich der instrumentell-qualifikatorischen Fähigkeiten auf, zu dem die Moderaten ihre Kompetenzen eher verhalten bewerten. Besonders den Fähigkeiten bezüglich des selbstständigen Behebens technischer Schwierigkeiten wird weniger Vertrauen entgegengebracht: Die Hälfte der Nutzer*innen (50 %) ist der Ansicht, dies „teils gut – teils nicht gut“ zu können. Allerdings geben auch 41 Prozent an, dass sie sich diese Fähigkeiten eher zutrauen. Die kognitive und kritisch-reflexive Kompetenz wird bei den Moderaten als sehr gut eingeschätzt: 96 Prozent geben an, sich online (sehr) gut aus verschiedenen Quellen informieren zu können und die Glaubwürdigkeit der Quellen von Online-Informationen gut beurteilen zu können (73 %). Die sozialen, affektiven und kreativen Dimensionen von Medienkompetenz werden von der Gruppe der Moderaten überwiegend so eingeschätzt, dass die Befragten als überzeugt von ihren medienbezogenen Fähigkeiten gelten. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass 91 Prozent angeben, großes Vertrauen in ihre Fähigkeiten zu haben, sich mühelos digital mit anderen auszutauschen.
Betrachtet man das vorhandene abstrakte Wissen über KI bei der Gruppe der Moderaten, gibt die Mehrheit an, nicht zu wissen, in welchen technischen Geräten KI steckt (55 %), wie maschinelles Lernen funktioniert (65 %) und woran man erkennt, ob Unternehmen verantwortungsbewusst mit den Daten umgehen (81 %). Demgegenüber steht das weiter verbreitete Wissen innerhalb dieser Gruppe, welche Rolle Menschen beim Programmieren der KI spielen (97 %) sowie der Fähigkeit der KI, aus Daten, auch den eigenen, zu lernen (90 %).
Die soziodemografische Zusammensetzung der Gruppe der Moderaten besteht zu einem Großteil (62 %) aus Befragten im Alter zwischen 20 und 49 Jahren, während 17 Prozent 12 bis 19 Jahre alt sind. Die Verteilung der Geschlechter ist dabei annähernd gleich. Die Mehrheit gab an, einen mittleren Bildungsabschluss (65 %) erworben zu haben, 23 Prozent haben formal höhere Bildung.
Typ 3: die Verhaltenen
Die Haltung gegenüber KI fällt in der Gruppe der Verhaltenen tendenziell kritischer aus als bei den anderen Gruppen. Auf gesellschaftlicher Ebene verteilt sich eine ambivalente Haltung auf 50 Prozent, die bezüglich KI sowohl Chancen als auch Risiken sehen. Geht es um die persönlichen Chancen und Risiken von KI, wird ebenfalls eine ambivalente Haltung deutlich; im Vergleich zu den Gruppen der Selbstsicheren und der Moderaten ist dies der größte Anteil. Außerdem geben 28 Prozent an, KI eher oder eindeutig als Gefahr einzuschätzen.
Hinsichtlich ihrer Mediennutzung zeigt die Gruppe der Verhaltenen zwar eine hohe Nutzung von Messenger-Diensten pro Tag (64 %), jedoch im Vergleich zu den anderen Typen eine geringere Nutzung von Suchmaschinen (47 %) im Laufe einer Woche. Insgesamt greift die Gruppe vor allem auf wenige, etablierte und stark verbreitete digitale Medien zu, wodurch sie sich deutlich von den anderen beiden Typen unterscheidet.
Verhalten ist in dieser Gruppe auch die Einschätzung eigener medienbezogener Kompetenzen, vor allem bei den instrumentell-qualifikatorischen Fähigkeiten. Dazu geben nur 13 Prozent an, dass sie gut oder sehr gut Voreinstellungen bei Geräten ändern können. Zum Vergleich: Bei der Gruppe der Selbstsicheren sind es 96 Prozent und bei den Moderaten 57 Prozent.
Weniger verhalten ist jedoch die Einschätzung der medienbezogenen Kompetenzen im Bereich der sozialen, affektiven und kreativen Dimension. Wenn es um den Austausch mit anderen über digitale Medien geht, schätzen sich 56 Prozent der Befragten als (eher) gut ein. Der Großteil der Verhaltenen gibt an, über kein oder wenig Wissen zu digitalen Technologien zu verfügen. In welchen Geräten KI steckt, ist der Mehrheit nicht klar (73 %), ebenso wenig, wie maschinelles Lernen funktioniert (79 %) oder dass Menschen eine wichtige Rolle beim Programmieren der KI spielen (77 %).
Soziodemografisch ist der Typus der Verhaltenen charakterisiert durch einen überwiegenden Anteil von Befragten ab 50 Jahren (72 %). 31 Prozent der Verhaltenen sind Menschen im höheren Lebensalter – also 65 Jahre oder älter. In der Gruppe finden sich etwas mehr Frauen (55 %) als Männer, dieser Unterschied ist jedoch nicht so groß wie bei den Selbstsicheren. Bezüglich der Bildungsabschlüsse der Befragten geben die meisten (62 %) an, einen mittleren Bildungsabschluss erworben zu haben, gefolgt von 23 Prozent mit einem formal niedrigen sowie 15 Prozent mit einem höheren Bildungsabschluss.
Same same but different: Alter und Bildungsabschluss als relevante Faktoren
Wenig überraschend ist, dass die typisierende Auswertung der Repräsentativbefragung die bereits festgestellten soziodemografischen Unterschiede bestätigt. Betrachtet man etwa die Altersstruktur, wird deutlich, dass sich unter den Verhaltenen im Vergleich zu den beiden anderen Typen wenige Personen unter 50 Jahren finden. Lediglich 28 Prozent der Verhaltenen sind jünger als 50 Jahre. Demgegenüber sind unter den Selbstsicheren (71 %) und in der Gruppe der Moderaten (62 %) vor allem Personen zwischen 20 und 49 Jahren vertreten. Bezieht man zusätzlich den formalen Bildungshintergrund mit ein, zeigt sich, dass sich am meisten Personen mit formal höherer Bildung in der Gruppe der Selbstsicheren wiederfinden. Sie machen einen Anteil von 39 Prozent aus. Dies ist im Vergleich der drei Gruppen der höchste Anteil an Personen mit formal hoher Bildung.
Hinsichtlich der Einschätzung des eigenen Wissens und des Zutrauens in die eigenen Medien- und Digitalkompetenzen ergeben sich entsprechend neue Ansatzunkte: Bei nahezu allen Fragen schätzen Moderate und Selbstsichere ihr medienbezogenes Wissen und ihre Kompetenzen besser ein als Verhaltene. Hier wäre in qualitativen Studien nachzufragen, inwiefern sie sich durch die weniger ausgeprägten instrumentellen Kompetenzdimensionen beeinträchtigt fühlen. Eine Ausnahme stellt die Fähigkeit dar, der eigenen Mediennutzung Grenzen zu setzen. Hier ist unter den Verhaltenen der Anteil derer, die angeben, dies zu können (76 %), größer als unter den Selbstsicheren (59 %) und den Moderaten (56 %). Mit diesem Ergebnis wird deutlich, dass die öffentlich diskutierte Omnipräsenz digitaler Medien und die Entgrenzung medialer und nichtmedialer Lebensvollzüge ein kritisches Thema für den Typus der Verhaltenen ist, der in Angeboten zur Medienbildung thematisiert werden sollte.
Auffällig ist auch, dass der Typus der Verhaltenen im Umgang mit digitalen Medien durchaus Zutrauen in seine sozialen, affektiven und kreativen Kompetenzdimensionen hat. Für den Prozess des Lernens und die Weiterentwicklung von Kompetenzen ist diesen Kompetenzdimensionen besondere Aufmerksamkeit zu schenken, da es sich hierbei um grundlegende Erfahrungen handelt. Sie bilden hervorragende Ansatzpunkte für diesen Typus, um sich etwa weiteres Wissen anzueignen und die instrumentell-qualifikatorische Kompetenzdimensionen auszubauen.
Anmerkungen
- Die Ergebnisse wurden detailliert im ersten Ergebnisbericht zum „Kompass: Künstliche Intelligenz“ beschrieben: Pfaff-Rüdiger, Senta/Herrmann, Simon/Cousseran, Laura/Brüggen, Niels (2022). Kompass: Künstliche Intelligenz und Kompetenz 2022. Wissen und Handeln im Kontext von KI. Herausgegeben vom JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. München: kopaed.↩
Zitation
Lauber, D.; Schmidt, K. 2023: Welcher KI-Typ sind Sie? Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage zu Wissen, Kompetenz und Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Im Rahmen des Projektes Digitales Deutschland. Online verfügbar: https://digid.jff.de/magazin/diversitaet/ki-typ/.