Zielgruppe Erwachsene
Expertise durch die Universität Siegen
Wann sind Erwachsene medienkompetent? Diese Frage muss im Kontext der Digitalisierung neu gestellt und diskutiert werden. Der rasante technologische Fortschritt im Bereich digitaler Medien und Systeme erzeugt einen gesellschaftlichen Wandel, der auch Erwachsene vor zahlreiche neue Herausforderungen stellt. Der Wandel betrifft alle Lebensbereiche: berufliche Tätigkeit, Hobby und Freizeit, zivilgesellschaftliches Engagement, aber auch die Rolle als Vorbild und Vermittler*in von Medienkompetenz als Eltern(-teil) oder Pädagog*in. In der Regel werden diese Lebensbereiche getrennt behandelt und in der Medienkompetenzförderung adressiert. Aber wird dies der zunehmenden Komplexität und Vernetzung der Gesellschaft im Kontext der Digitalisierung gerecht? Die vorliegende Expertise fasst Studien und Forschungsarbeiten zur Medienkompetenz von Erwachsenen unter den veränderten Anforderungen und Rahmenbedingungen der Digitalisierung zusammen. Nach einführenden Kurzanalysen zur Zielgruppe und zum Verständnis des Kompetenzbegriffes werden die an die Zielgruppe Erwachsene gestellten Kompetenzanforderungen ausgearbeitet und in den Kontext des Medienkompetenzdiskurses eingeordnet.
Anmerkungen zum Zielgruppenverständnis
Erwachsene als Adressat und Vermittler von Medienbildung
Erwachsene galten lange Zeit als (potenzielle) Medienkompetenzvermittler (vor allem Eltern, Lehrkräfte, pädagogische Fachkräfte) und weniger als Adressat, der sich Medienkompetenzen anzueignen hat (u.a. Hermida 2014), obgleich es wohl kaum einen Bereich gibt, der lebenslanges Lernen so erforderlich macht wie der Umgang und die Aneignung von Medien sowie die Reflexion des eigenen Medienhandelns. Erwachsene wurden mitunter mit in die Verantwortung genommen, wenn Medienkompetenzdefizite bei Kindern und Jugendlichen, Schüler*innen und jungen Erwachsenen festzustellen waren. Durch verschiedene Bestandsaufnahmen (u.a. Medienkompetenzberichte des BMFSFJ und Landesmedienanstalten), Expertisen (u.a. Enquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“) und Initiativen (u.a. „Keine Bildung ohne Medien“) wurden aber auch kritische Stimmen laut, die darauf hingewiesen haben, dass in der Ausbildung von Erzieher*innen, Lehrer*innen, Erwachsenenbildner*innen und Sozialpädagog*innen eine medienpädagogische Kompetenzvermittlung nicht immer selbstverständlich sei bzw. ausreichend vorhanden ist (vgl. auch u.a. Helbig 2017, Kutscher & Seelmeyer 2017, Röll 2013). Sofern vorhanden, wird diese aber ‚digitalen Verhältnissen‘ nicht immer gerecht. Forderungen, dass medienpädagogische Grundbildung in vielen Bildungs- und Arbeitsbereichen verbindlich zu verankern sei, haben Konjunktur, wenngleich sie faktisch nicht flächendeckend in Programmen, Ausbildung und Studium sowie Weiterbildungsangeboten umgesetzt werden. Zuweilen sind auch die Vorstellungen darüber, wie eine adäquate, d.h. auf fortschreitende Digitalisierung ausgerichtete, (re-)aktive Medienkompetenz auszusehen hat, sehr unterschiedlich, was auch in unserer Expertise deutlich zum Ausdruck kommt.
Die Divergenz der Zielgruppe
Für gewöhnlich wird die Altersgruppe der Erwachsenen nicht als eine Zielgruppe verstanden, da diese Bevölkerungsgruppe besonders heterogen ist und nicht nur in soziologischer Perspektive nicht als eine soziale Gruppe betrachtet werden kann. Demzufolge verlaufen die Trennlinien entlang der verschiedenen Lebensbereiche von Erwachsenen, die sich in „Arbeit und Beruf“, „Freizeit und Unterhaltung“ sowie „gesellschaftliche Teilhabe und zivilgesellschaftliches Engagement“ einteilen lassen. Die diesen Lebensbereichen zuzuordnenden Studien verfolgen teils sehr unterschiedliche Erkenntnisinteressen, die einen direkten Vergleich oft nicht sinnvoll erscheinen lassen. So wie im Zusammenwirken der Lebensbereiche des Individuums wäre ebenso für Untersuchungen zur Medienkompetenz ein komplementärer Ansatz unserer Ansicht zielführend. Dieser wird jedoch nur selten, am ehesten noch in medienpädagogischen Forschungsarbeiten, angestrebt.
Die Heterogenität der Zielgruppe korrespondiert mit der Vielfalt der inhaltlichen Perspektiven in den betrachteten Studien sowie der fachlichen und disziplinären Verortung der Autor*innen und Herausgeber*innen. Hierbei handelt es sich sowohl um Studien im Auftrag von staatlichen Institutionen oder Medienunternehmen, Forschungsarbeiten der Landesmedienanstalten oder privater Stiftungen, als auch um wissenschaftliche Arbeiten von Forschungsverbünden oder einzelnen Wissenschaftler*innen.
Kompetenzen und Kompetenzanforderungen
Zweckmäßigkeit und Verwertbarkeit im Vordergrund
Entsprechend wird in den vorliegenden Studien zur Medienkompetenz von Erwachsenen in der Regel ein handlungsorientierter Kompetenzbegriff zugrunde gelegt. Kompetenz wird prinzipiell als eine Sammlung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten verstanden, um Probleme in einem spezifischen Kontext zielführend lösen zu können. Dies gilt zum einen für die Studien zur beruflichen Bildung und mit Bezug zur Arbeitswelt: Diese fokussieren häufig auf bestehende oder sich verändernde berufliche Anforderungen, auf welche die Kompetenzträger*innen angemessen vorbereitet werden sollen. Der Kompetenzerwerb sollte idealerweise also im Rahmen der beruflichen Aus- und Weiterbildung stattfinden, um eine ausreichende und vergleichbare Kompetenzentwicklung aller im jeweiligen Berufsfeld Tätigen sicherzustellen. Im Vordergrund steht die berufliche Zweckmäßigkeit der zu erwerbenden Kenntnisse und Fähigkeiten, wodurch eine enge Zielführung des Lernprozesses nicht zu vermeiden ist. Von einer umfassenden Medienkompetenzbildung, die auch in anderen Lebensbereichen und vor allem nachhaltig wirksam wird, kann in diesem Kontext keine Rede sein.
In den Studien zur Mediennutzung von jungen Erwachsenen wird ebenfalls die erfolgreiche und effektive Nutzung eines Mediums als Zeichen von Medienkompetenz aufgefasst. Anders als in der beruflichen Bildung werden sehr stark individuelle Zielsetzungen und Einschätzungen berücksichtigt, die sich nicht zuletzt an riskanten Nutzungsweisen festmachen (z.B. Behrens u.a. 2014, van Eimeren u.a. 2017). Auch hier kann ein hoher Handlungs- und Anwendungsbezug des Kompetenzbegriffs festgestellt werden, der vor allem auf bestimmte Medien(technologien) und deren effektive Bedienung abzielt. Ausnahmen bilden medienpädagogische Konzepte und Studien, die sich mit dem Handlungsfeld Schule/Hochschule/außerschulische Bildung beschäftigen.
Zur Vermittlung von Medienkompetenz
Wenn es um die Vermittlung von Medienkompetenz und Medienbildung im weiteren Sinne geht, wird häufig ein differenzierter Kompetenzbegriff zugrunde gelegt und diskutiert. Dies dürfte daran liegen, dass die Untersuchung von pädagogischen und didaktischen Abläufen ein bildungstheoretisches Fundament benötigt, um Lehr-Lern-Prozesse angemessen beurteilen zu können. In zugehörigen Aufsätzen dominieren klassische Konzepte von Medienkompetenz (u.a. von Baacke 1996, Tulodziecki 1997, 2015). Auf diesen Konzepten aufbauend wird selektiv ein erweiterter Begriff der „Medienbildung“ entwickelt, welcher auch die prozessbezogenen und bildungstheoretischen Aspekte der Vermittlung von Medienkompetenz in den Blick nimmt.
Was wird als Kompetenz bezeichnet?
Häufig wird im Bereich der Medienkompetenzausbildung zwischen einer „übergreifenden Kompetenz“ und einzelnen „Unterkompetenzen“ unterschieden. D.h., dass Medienkompetenz in einem bestimmten Anforderungsfeld als ein System verschiedener Einzelkompetenzen angesehen werden kann, die im Individuum interagieren (sollen), um den Anforderungen der mediatisierten Umwelten gerecht zu werden.
Die Erforschung kollektiver Kompetenzen, also der gemeinschaftlichen Lösung von Aufgaben und Herausforderungen in der Zusammenarbeit von Träger*innen verschiedener Kompetenzen, scheint noch am Anfang zu stehen. Allerdings wäre dieser Aspekt gerade im Kontext der Digitalisierung interessant zu diskutieren, da durch die weltweite Vernetzung mit digitalen Medien das Potential kollektiver Problemlösungsstrategien deutlich steigen dürfte. Auf der einen Seite sorgen digitale Medien für ein neues Verständnis von komplexen gesellschaftlichen und globalen Zusammenhängen, auf der anderen Seite kann durch Vernetzung auch die Komplexität der Lösungssysteme erhöht werden.
Kennzeichen der Digitalisierung, ihre Folgen für Individuen und Gesellschaft
Was ist „Digitalisierung“?
Der Begriff der Digitalisierung bleibt in den vorliegenden Studien leider zumeist unpräzise. Allgemein wird in vielen Studien davon ausgegangen, dass man schon in etwa weiß und eine Vorstellung davon hat, was mit Digitalisierung gemeint ist. Schließlich ist das Phänomen in der öffentlichen Diskussion und in vielen Lebens- und Alltagsbereichen präsent. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Begriff „Digitalisierung“ am häufigsten verwendet und gegenüber dem der Mediatisierung bevorzugt wird, bezeichnet er doch einen als bedeutsam wahrgenommenen gesellschaftlichen Entwicklungstrend. Jedoch wird selten thematisiert, dass den Ausgangspunkt der Digitalisierung ein technischer Fortschritt darstellt und die gesellschaftlichen Auswirkungen eine Folge dessen sind. Dadurch wird der Gestaltungsspielraum beim Transfer von Technik in Gesellschaft und Kultur oftmals nicht erkannt und von einer Art Unaufhaltsamkeit und Alternativlosigkeit der gesellschaftlichen Transformationen ausgegangen. Zu den Kennzeichen der Digitalisierung zählen u.a. all die Prozesse, bei denen analoge Verfahren und Techniken durch digitale ersetzt werden und diese nicht nur ablösen, sondern auch neue Perspektiven in allen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Bereichen erschließen. In ihrer Gesamtheit erfordern diese Prozesse auch neue Ausrichtungen der Bildungsaufträge von Schule und Hochschule (vgl. KMK-Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ 2016).
Welche Auswirkungen der Digitalisierung werden erwartet?
Der Heterogenität der Zielgruppe entsprechend sind auch die Beschreibungen der Folgen der Digitalisierung für Erwachsene sehr unterschiedlich. Studien mit Bezug zur beruflichen Bildung oder einem spezifischen Berufsfeld gehen natürlich insbesondere auf erwartete Veränderungen des Berufsbildes ein, auch wenn diese häufig recht allgemein bleiben. Die Beschreibungen mit Bezug zur gesamtgesellschaftlichen Entwicklung sind in der Regel äußerst vage. Relativ häufig erwähnt werden die veränderten Bedingungen gesellschaftlicher Teilhabe im Rahmen der Digitalisierung, insbesondere wird die Wichtigkeit einer gut ausgebildeten Informationskompetenz zur freien Meinungsbildung und -äußerung hervorgehoben.
Ein besonderes Feld stellen medienpädagogische Studien dar, insbesondere zur Medienkompetenz von pädagogischen Fachkräften. In diesen müssen alle Ebenen von Veränderungen reflektiert werden, sowohl die aktuelle und zukünftigen Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen als auch die individuelle Medienkompetenz und die medienpädagogischen Kompetenzen der Fachkräfte selbst. Dies wird in vielen Studien auch berücksichtigt, allerdings lässt sich hier ebenso wie in den Studien zur beruflichen Weiterqualifikation eine Tendenz zur ‚beruflichen Verwertung‘ von Kompetenzen finden. Dies drückt sich in der Betonung von mediendidaktischen Kenntnissen und Fähigkeiten aus, die eine unmittelbare Verwendung von digitalen Medien zum Ziel haben, wohingegen die medienerzieherischen Aufgaben von Pädagog*innen, die eher eine aufklärende Zielsetzung verfolgen, in den Hintergrund geraten können.
Fehlende Verknüpfung der Lebensbereiche
Ein zentraler Befund der Auswertungen vorliegender Studien ist, dass selten die verschiedenen Lebensbereiche von Erwachsenen miteinander verknüpft werden. Die Ansprache erfolgt zumeist rollenspezifisch, wenngleich auch ein Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin, der/die mit konkreten beruflichen Anforderungen konfrontiert ist, Medienkompetenz im privaten Bereich, in der Freizeit, im Verein etc. erwirbt. Auch ein Lehrer/eine Lehrerin ist als Privatperson mit Fragen der gesellschaftlichen Teilhabe mit und über Medien beschäftigt. Hier wäre eine übergreifende Betrachtung wünschenswert, welche verschiedene Lebensbereiche miteinander sinnstiftend zu verbinden vermag.
Kompetenzanforderungen an die Kompetenzträger*innen
Welche Kompetenzen werden im beruflichen Kontext thematisiert?
In den Arbeiten zur beruflichen Bildung und Arbeitswelt dominieren berufsbezogene Kompetenzdimensionen. Diese sehen je nach Berufsfeld unterschiedlich aus und reichen vom Bedienen einer Bürosoftware bis zum Programmieren von Maschinen. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf den Kompetenzen zur Mediennutzung und dem sachgerechten Umgang mit digitalen Medien. Neben digitalen Medien stehen hier vor allem auch digitale Technologien für die Steuerung von Maschinen und die Bedeutung von künstlicher Intelligenz in diesem Zusammenhang im Vordergrund. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, können auch vertiefte Kenntnisse des Aufbaus und der Funktionsweise von digitalen Netzen und im Programmieren von ebensolchen Maschinen und Anlagen erforderlich sein. Der Bereich der Medienkritik wird in der Regel ausgespart, obwohl hier auch in der (Weiter-)Entwicklung neuer Medien(-systeme und -technologien) ein größeres Potential liegen dürfte. Ein erfolgreicher Kompetenzerwerb ist in diesem Bereich gleichzusetzen mit beruflichem Erfolg in dem Sinne, dass die Kompetenzträger*innen die gestellten Aufgaben und Anforderungen erfolgreich bewältigen können.
Welche Kompetenzen sind für die Zivilgesellschaft relevant?
Im Hinblick auf die Zivilgesellschaft als Adressat dominiert vielfach die Bedeutung der Informationskompetenz mit dem Ziel einer selbstbestimmten gesellschaftlichen Teilhabe. In diesem Kontext wird überdies medienkritisches Wissen erwähnt, welches notwendig ist, um Informationen einordnen, bewerten und hinterfragen zu können. Auch Datensicherheit und Datenschutz werden aufgegriffen. Ebenso werden medienkritische Aspekte ins Auge gefasst, welche den Kompetenzträger*innen ermöglichen sollen, die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung reflektieren zu können. Die kreative Medienproduktion wird allerdings häufig vernachlässigt, obwohl die Herstellung von Medieninhalten auch für Erwachsene in ihrem privaten Lebensbereich zunehmend bedeutsam wird (bspw. in Blogs oder den Sozialen Medien). Ein erfolgreicher Kompetenzerwerb zeigt sich in einer reflektierten, selbstbestimmten und sozial verantwortlichen Nutzung von digitalen Medien und digitalen Techniken. Der konkrete Erfolg der gesellschaftlichen Teilhabe ist jedoch schwer messbar. In der subjektiven Einschätzung der Kompetenzträger*innen hängt er sehr von den individuellen Vorstellungen und Erwartungen der Betroffenen ab. Äußerlich messbar wären der Grad der Beteiligung am gesellschaftlichen Diskurs und die erfolgreiche Kommunikation mit anderen Diskursteilnehmer*innen.
Welche Kompetenzen werden im medienpädagogischen Kontext angesprochen?
In den untersuchten medienpädagogischen Arbeiten wird sich um eine umfassende Abbildung von Medienkompetenz bemüht: Basierend auf den klassischen Konzepten der Medienkompetenz finden sich in der Regel die Kompetenzdimensionen sachgerechte Mediennutzung, kreative Medienproduktion sowie kritische Nutzung und Reflexion von Medien in verschiedenen Formen und Bezeichnungen wieder. Unterschiede existieren bei der Festlegung, welche genauen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erreichung dieser Kompetenzdimensionen im Bereich digitaler Medien notwendig sind. Sind beispielsweise Fähigkeiten im Programmieren Voraussetzung für einen kritischen Umgang mit Medien? Werden Kenntnisse über die Funktion von Algorithmen benötigt? Auffällig ist, dass diese Aspekte vor allem im Kontext digitaler Medien diskutiert werden. Dies liegt vermutlich an ihrer Allgegenwärtigkeit und der Niedrigschwelligkeit der Erzeugung von Medieninhalten.
In Arbeiten zur schulischen und außerschulischen Medienbildung werden außer den Kompetenzen der Kompetenzträger*innen die pädagogischen Kenntnisse und Fähigkeiten der „Kompetenzvermittelnden“ untersucht. Hier können mediendidaktische und medienerzieherische Kompetenzen unterschieden werden. Für die außerschulische Bildung überwiegen medienerzieherische Aspekte, d.h. die Aufklärung über die Funktion und Wirkung von Medien und Mediensystemen im Alltag.
Welche Kompetenzen werden von Kompetenzvermittelnden erwartet?
In den Arbeiten aus der Medienpädagogik wird bei pädagogischen Fachkräften von einer vorhandenen „Medienbildungskompetenz“ ausgegangen, die sich nicht nur auf die eigene Medienkompetenz bezieht, sondern auch auf die Fähigkeit, diese an andere vermitteln zu können. Hierbei lässt sich ein „Lernen mit Medien“ (Mediendidaktik) von einem „Lernen über Medien“ (Medienerziehung) unterscheiden, wobei beide Bereiche auch Überschneidungen und Anknüpfungspunkte aufweisen.
Im Bereich der Mediendidaktik sind vertiefte Kenntnisse im Umgang mit allen digitalen Medien gefragt, welche in pädagogischen Kontexten zum Erreichen der inhaltlichen und didaktischen Ziele nützlich sein können. Dazu gehört ein Wissen um die Funktionsweise und die Bedienung von digitalen Medien. Zur Erstellung von pädagogischen Inhalten zur Vorbereitung oder im Unterricht selbst sollte grundsätzlich eine kreative Gestaltungs- und Produktionskompetenz vorhanden sein. Eine besondere Herausforderung stellt auch die Auswahl geeigneter vorgefertigter Medieninhalte dar. Hier dürfte es vor allem noch an entsprechenden Kriterienkatalogen fehlen, welche pädagogischen Fachkräften die Arbeit erleichtern würden.
In der Medienerziehung ist vor allem die kritische Reflexion des eigenen Medienhandelns eine wichtige Voraussetzung für die Vermittlung von Medienkompetenz an Kinder und Jugendliche. Weiterhin sollten Medienpädagog*innen in der Lage sein, die Bedingungen der Medienproduktion und -verbreitung zu durchschauen und in der Vermittlung thematisieren zu können. Ein erfolgreicher Kompetenzerwerb zeigt sich in Bildungskontexten nicht nur bei den Lehrenden, sondern auch in der erfolgreichen Vermittlung von Medienkompetenz an die Lernenden.
Die unterschiedlichen Ausrichtungen und Forschungsfragen der untersuchten Studien lassen verschiedene Prämissen erkennen. So wird oftmals die Schul-/Hochschulbildung, die berufliche Bildung, souveräne Lebensführung oder gesellschaftliche Teilhabe in den Vordergrund gestellt. Eine Verknüpfung der Bereiche wird nur selten vorgenommen. In den erfassten Studien ist jedoch in quantitativer Hinsicht klar ein Schwerpunkt auf das Arbeits- und Berufsleben festzustellen. Das Privatleben und die gesellschaftliche Teilhabe werden weitaus seltener untersucht. Dies könnte daran liegen, dass die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt konkreter und dringlicher scheinen, während die gesellschaftlichen Veränderungen komplexer und schwieriger zu fassen sein dürften.
Expertise von Februar 2020
Literatur
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Röll, F.-J. (2013). Fachkräfte als Zielgruppe/Aus- und Weiterbildung von pädagogischen Fachkräften. In BMFSFJ, Medienkompetenzförderung für Kinder und Jugendliche. Eine Bestandsaufnahme. Berlin.
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