Zum Verhältnis von Motivation und Medienkompetenz
Laura Cousseran, Achim Lauber (JFF)
Veröffentlicht am 14.06.2023
Wenn von Kompetenz die Rede ist, stehen schnell Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Zentrum der Betrachtung. Über welches Wissen und welche Fähigkeiten müssen Menschen verfügen, um (möglichst) souverän mit (digitalen) Medien umgehen zu können? Um diese Frage drehen sich zahlreiche Forschungsarbeiten. Wissen stellt dabei zwar eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung für die Entwicklung von Medienkompetenz dar. Um vorhandenes Wissen in Handeln zu überführen, bedarf es Motivation (Riesmeyer et al., 2016, S. 36). Ausgehend von der Annahme, dass Motivation eine zentrale Rolle im Prozess der (Weiter-)Entwicklung von Medienkompetenz spielt, steht diese im Folgenden im Zentrum der Fokus-Auswertung. Zunächst soll dabei auf eine verbreitete Definition von Motivation eingegangen werden. Daran schließen sich Betrachtungen an, in welchem Verhältnis zueinander Motivation und Medienkompetenz diskutiert werden. Diese Betrachtung basiert auf einer Auswahl von wissenschaftlichen Publikationen zu Medien- und Digitalkompetenz, die in der frei zugänglichen Literaturdatenbank im Rahmen des Projektes Digitales Deutschland erfasst wurden.
Eine Definition von Motivation
Deci und Ryan unterscheiden in ihrer Selbstbestimmungstheorie verschiedene Arten von Motivation, welche sich auf einem Kontinuum verorten lassen. Auf der einen Seite steht dabei Amotivation. Sie bezeichnet einen Zustand, in dem eine Person einer Handlung keinen (subjektiven) Sinn zuschreiben kann. Demgegenüber bildet intrinsische Motivation den höchsten Grad an Selbstbestimmung ab. Denn damit sind Handlungen gemeint, „that are freely engaged out of interest without the necessity of separable consequences” (Deci & Ryan, 2000, S. 233). Zwischen diesen beiden Polen befindet sich extrinsische Motivation (Riesmeyer et al., 2016).
Extrinsische und intrinsische Motivation wurden häufig als Gegensatzpaar dargestellt. Während die eine hochgradig interessenbestimmt ist, zeigt sich extrinsische Motivation in einem instrumentellen Handeln, das auf eine Konsequenz gerichtet ist, welche von der Handlung unabhängig ist. Die Sichtweise von intrisischer und extrinsischer Motivation als Gegensatzpaar hat sich allerdings gewandelt. Denn es wird zunehmend davon ausgegangen, dass auch Verhalten, das extrinsisch motiviert ist, selbstbestimmt sein kann. Dafür sind Prozesse der Internalisation bedeutsam. Durch sie kann extrinsisch motiviertes Verhalten in selbstbestimmte Handlungen übergehen. Dieser Prozess kann entweder bei der Stufe der Introjektion verharren – das heißt, man tut etwas beispielsweise, weil es sich gehört – oder die Stufe der Integration erreichen – das bedeutet, man identifiziert sich mit Zielen, Normen und Handlungsstrategien. Dementsprechend lässt sich extrinsische Motivation in Hinblick auf den Grad der Selbstbestimmung weiter ausdifferenzieren. Deci und Ryan leiten aus diesen Überlegungen vier Arten extrinsischer Motivation ab, welche mit mehr oder weniger Selbstbestimmung verbunden sind: externale, introjizierte, identifizierte und integrierte Regulation. Die integrierte Regulation stellt dabei die eigenständigste Form extrinsischer Motivation dar. Sie kommt zu Stande, wenn eine Person Ziele, Normen und Handlungsstrategien, mit denen sie sich identifiziert, widerspruchsfrei in ihr Selbstkonzept integriert. In der Selbstbestimmungstheorie bilden intrinsische Motivation und der integrierte Regulationsstil die Grundlage selbstbestimmten Handelns (Deci & Ryan, 1993).
Doch wie kommt Motivation eigentlich zu Stande? Woran kann es beispielsweise liegen, dass eine Person motiviert ist, medienkompetent zu handeln? Grundsätzlich kann Motivation auf physiologische Bedürfnisse, Emotionen und/oder psychologische Bedürfnisse zurückgehen. Letztere umfassen wiederum drei Facetten, nämlich erstens das Bedürfnis nach Kompetenz beziehungsweise Wirksamkeit, zweitens nach Autonomie beziehungsweise Selbstbestimmung und drittens nach sozialer Eingebundenheit beziehungsweise Zugehörigkeit. Deci und Ryan gehen davon aus, dass alle drei Faktoren – physiologische und psychologische Bedürfnisse sowie Emotionen – relevant sind, um motivationale Handlungsenergie zu erklären (Deci & Ryan, 1993). Das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit spiegelt sich beispielsweise darin, dass digitale Medien häufig dazu genutzt werden, um mit anderen zu kommunizieren. Dies stellt Barczik (2020) in einer Studie zum höheren Lebensalter heraus.
Interesse als unverzichtbar für Lernmotivation
Nachdem im Abschnitt zuvor von Motivationsformen und ihren psychophysischen Grundlagen die Rede war, soll es im Folgenden spezifischer um Lernmotivation gehen, da im Hinblick auf Medienkompetenz vor allem die Frage relevant erscheint, welche Rolle sie aus einer Prozessperspektive heraus beim Erlernen und bei der Performanz von Medienkompetenz spielt (Riesmeyer et al., 2016). Konkret stellt sich im Zuge der digitalen Transformation die Frage, warum sich Personen mit bestimmten Technologien vermehrt, mit anderen überhaupt nicht auseinandersetzen wollen und warum beispielsweise in bestimmten Bevölkerungssegmenten digitale Neuerungen mit mehr Offenheit verwendet werden als in anderen.
Möchte man intrinsische Lernmotivation theoretisch erklären, wird man unweigerlich auf den Begriff des Interesses stoßen (Lauber & Krapp, 2013). Oben wurde bereits angedeutet, dass dieser zentral für eine auf Selbstbestimmung fußende Motivation ist, wie sie von Deci und Ryan beschrieben wurde. Doch was genau macht Interesse aus? Hierzu sind drei Merkmale von Interesse zu nennen: So verbindet eine Person, wenn sie interessiert ist, mit einem Gegenstand (zum Beispiel dem Ansehen von Influencer*innen auf Social Media) subjektiv eine hohe Wertschätzung. Dies setzt voraus, dass sie über den jeweiligen Gegenstand reflektiert hat und zur Einschätzung gekommen ist, dass es sich dabei für sie persönlich um etwas Wichtiges handelt. Zudem erlebt sie auch emotionale Erfahrungen mit dem jeweiligen Interessengegenstand (im Beispiel etwa das Ansehen von Influencer*innen auf Social Media) als positiv. Um die emotionale Qualität eines Interessenhandelns näher zu beschreiben, kann auf die in der Selbstbestimmungstheorie formulierten Bedürfnisse zurückgegriffen werden. Die emotionale Komponente kennzeichnen positive Gefühle (vor, während und nach) der Interessenhandlung, eine Aktivierung, die als angenehme Spannung wahrgenommen wird (nicht zu schwierig und nicht zu leicht) und das Erleben von Kompetenz, das heißt, dass die eigenen Fähigkeiten als ausreichend wahrgenommen werden, um Anforderungen meistern zu können. Hinzu kommt, dass das Handeln als selbstbestimmt erlebt wird, das bedeutet, dass man frei von äußeren und inneren Zwängen handelt. Des weiteren stimmt das Handeln mit Vorstellungen und Erwartungen des sozialen Umfeldes überein, wodurch man soziale Eingebundenheit erfährt. Zwei positive Bewertungen treffen hier also aufeinander – eine wertbezogene und eine emotionale Komponente. Ein Merkmal von Interesse ist darüber hinaus der Wille, mehr über den Gegenstand des Interesses zu erfahren. Dies kommt im Begriff der epistemischen Orientierung zum Ausdruck (Lauber & Krapp, 2013, S. 97-101).
Doch wenden wir uns dem Diskurs um Medien- und Digitalkompetenz zu: Welche Rolle wird dort Motivation zugeschrieben? Und wie wird sie dort definiert?
Die Rolle von Motivation in Modellen zu Medien- und Digitalkompetenz
Ohne Motivation geht es nicht. Schon allgemeine Definitionen von Kompetenz legen nahe, dass Motivation eine bedeutende Rolle zukommt. Dies wird in den betrachteten Texten zum einen daran sichtbar, dass sich einige (zum Beispiel Bergner et al., 2018; Herzig, 2020; Kramer & Gabler, 2021; Schüller et al., 2019; Wiesner & Schreiner, 2020) auf die Definition von Weinert beziehen, der ein psychologisches Verständnis von Kompetenz als Fähigkeit des Menschen, durch Motivation mit der Umwelt in Interaktion zu treten, weiter ausdifferenziert (Rott, 2020). Kompetenzen sind demnach „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert 2001 zit. nach Kramer & Gabler, 2021, S. 3). Motivationale Aspekte bilden hier einen integralen Bestandteil von Kompetenz (Rott, 2020).
Festl et al. (2019) legen ihrer Studie ein Kompetenzmodell nach Pfaff-Rüdiger et al. (2012) zugrunde, das unter anderem auf motivationstheoretischen Überlegungen von Deci und Ryan aufbaut. Motivation wird in dieser Begriffsbestimmung gar zum Definitionskriterium von Kompetenz.
Den hohen Stellenwert von Motivation verdeutlichen auch Definitionen, welche Kompetenz als Fähigkeit und Bereitschaft definieren, etwas zu tun oder Kompetenz als ein Zusammenwirken von Fähigkeiten, Wissen und Motivation beschreiben (Rubach & Lazarides, 2019). Dies ist beispielsweise der Fall bei einer Definition beruflicher Medien- und IT-Kompetenz (Härtel et al., 2018), die Kompetenz als Fähigkeit und Bereitschaft auffassen. Ähnlich verhält es sich in einem Modell individueller Handlungskompetenz, in welchem Handlungsfähigkeit (also Wissen und Fertigkeiten) einerseits und Handlungsbereitschaft andererseits unterschieden werden. In diesem Fall verweist der Begriff Bereitschaft auf die zentrale Rolle des motivationalen Antriebs (Becker, 2008; Klaß & Gläser-Zikuda, 2018). Auf diese Definition beziehen sich beispielsweise André et al. (2021), wenn es um die Ableitung von KI-Kompetenzen im Berufskontext geht.
Vor allem aus einer Prozessperspektive heraus erklärt sich die Bedeutung von Motivation für Kompetenz. So bedarf es zum einen Motivation, um Kompetenz (weiter-) zu entwickeln, und zum anderen wird Kompetenz erst sichtbar, wenn Kompetenzträger*innen auch motiviert sind, diese in ihrem Handeln zu zeigen (Festl et al., 2019; Riesmeyer et al., 2016; Rott, 2020).
Aber nicht nur als Prozessvariable findet Motivation (oder Bereitschaft) Eingang in die Diskussion um Medien- und Digitalkompetenz. Mit Motivation wird zum Teil auch eine eigene Kompetenzdimension umschrieben (z.B. Petry et al., 2019). Worauf sich Motivation bezieht, kann sich dabei je nach Kompetenzmodell unterscheiden. So beschreiben etwa Ilomäki et al. (2016) – in einer Bündelung verschiedener wissenschaftlicher Publikationen zu digital competence – diese als ein Konstrukt aus vier Dimensionen. Digital competence umfasst erstens technische Kompetenz, zweitens die Fähigkeit, digitale Technologien für die Arbeit, das Studium und das tägliche Leben sinnvoll zu nutzen, drittens die Fähigkeit, digitale Technologien kritisch zu bewerten und viertens die Motivation, sich in die digitale Gesellschaft einzubringen. Hier steht vor allem das Engagement in einer demokratischen Gesellschaft, auf das sich Motivation richten sollte, im Mittelpunkt. Eine ähnliche Ausrichtung beschreibt Schröder (2021) im Kontext digitaler Demokratiekompetenz, welche Wissen, Reflexionsvermögen sowie Motivation und Wille zum sozialen und politischen Handeln in der digitalisierten Welt umfasst. In anderen Konstrukten wird Motivation mitunter mit anderen nah verwandten Begriffen verbunden. Dies zeigt sich etwa im Modell digitaler Medien- und Nachrichtenkompetenz (Meßmer & Sängerlaub, 2020; Meßmer et al., 2021), die eine demokratische Grundhaltung thematisieren. Die Autor*innen definieren Digitale Nachrichten- und Informationskompetenz als „ein grundlegendes Verständnis davon, welche Bedeutung (digitale) Öffentlichkeiten für eine Demokratie haben und wie diese Öffentlichkeiten funktionieren; die Bereitschaft, sich über das relevante politische Geschehen zu informieren; sowie die technologischen, sozialen und kognitiven Fähigkeiten, darin Informationen/Nachrichten finden, erkennen, analysieren, verifizieren, bewerten, (weiter)entwickeln, kommentieren und teilen zu können, um als Bürger:in an demokratisch-digitalen Öffentlichkeiten teilzuhaben.“ (Meßmer & Sängerlaub, 2020, S. 39). Bei der empirischen Erhebung wird daher sowohl nach Interesse an Nachrichten gefragt als auch nach Einstellungen zu Medien, Meinungsfreiheit und Demokratie sowie der Wertschätzung unabhängigen Journalismus. Wertschätzung und vor allem Interesse (als eine Form intrinsischer Motivation) verweisen auf die Relevanz von Motivation im Kontext von Nachrichten und Informationskompetenz.
Kramer und Gabler (2021) weisen Motivation in ihrem Modell von Medienkompetenz eine wichtige Rolle zu. Sie unterteilen Medienkompetenz in Mediensach-, Medienmethoden-, Mediensozial- und Medienselbstkompetenz. Letztere Dimension fokussiert auch auf motivationale Aspekte. So steht hier die Reflexion der eigenen Mediennutzung im Zentrum. Das führt zum einen zu der Frage nach dem Motivierenden bestimmter Medientätigkeiten. Die Gründe führen schnell zur oben erwähnten Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan zurück. Zum anderen umfasst der Kompetenzbereich die Reflexion motivationaler Überzeugungen und Zielorientierungen sowie das Finden von Strategien, um sich selbst zu motivieren.
Die Bedeutung von Motivation spiegelt sich auch in Kompetenzmodellen, die auf Lehrkräfte fokussieren. Bereits wenn es um professionelle Kompetenzen von Lehrkräften allgemein geht, wird deutlich, dass intrinsische Motivation ein wichtiges Merkmal pädagogischer Handlungskompetenz ist (Kunter et al., 2011). Auch in Modellen medienpädagogischer Kompetenz finden sich Motivation bzw. motivationale Aspekte wieder. So beispielsweise in einem Kompetenzmodell für Lehrende in der digitalen Transformation, in das motivational-affektive Merkmale integriert werden. Gemeint sind damit Einstellungen von Lehrkräften zum Einsatz digitaler Medien im Unterricht. Bezogen auf die oben vorgestellten Aspekte von Interesse, schwingt hier die Relevanz einer wert- und emotionsbezogenen Komponente mit. Es stellt sich die Frage, welchen subjektiven Stellenwert der Einsatz digitaler Medien für Lehrkräfte hat und mit welchen Gefühlen er verbunden wird (Rohs et al., 2017; Seufert et al., 2018).
Auswirkungen von Motivation auf die Kompetenzentwicklung
Motivation hat eine wesentliche Bedeutung, wenn es um die Entwicklung von Kompetenz sowie kompetentes Handeln geht. Zusammenhänge zwischen Kompetenzeinschätzungen und Interesse (das hier als eine Form von Motivation aufgefasst wird) unterstreichen wissenschaftliche Publikationen mit Blick auf unterschiedliche Lebensphasen (z.B. Meßmer et al., 2021; Rubach & Lazarides, 2019).
An dieser Stelle sei exemplarisch auf einige empirische Ergebnisse zu Motivation und Kompetenz hingewiesen: Eine Metaanalyse zu digital skills im Jugendalter stellt etwa fest, dass Motivation positiv mit digital skills zusammenhängt (Haddon et al., 2020). Auch Festl et al. (2019) zeigen mit ihren Daten, dass Motivation – neben Wissen und Fähigkeiten –, eine bedeutende Rolle spielt, wenn es um kompetentes Online-Handeln von Jugendlichen geht. So ergeben sich Zusammenhänge zwischen der Motivation, sich sozialkompetent zu verhalten, und vermittelndem, partizipativem und moralischem Online-Handeln. Jugendliche, die motivierter sind, online sozialkompetent zu agieren, zeigen auch ein entsprechend kompetenteres Online-Verhalten [1] – laut eigener Aussage (Festl et al., 2019, S. 32–34). Für das Erwachsenenalter wird festgestellt, dass Interesse ein Faktor ist, der die Entscheidung, die eigenen Kompetenzen weiterzuentwickeln, beiträgt und es daher wünschenswert ist, Interesse an Mediennutzung in empirische Untersuchungen miteinzubeziehen, da diese vielleicht Einfluss auf Medienkritikfähigkeit haben (Rott, 2020). Auch für Menschen im höheren Lebensalter wird die Bedeutung von Motivation betont. Menschen im höheren Lebensalter, die intrinsisch motiviert sind, eignen sich selbstständig Technologien an. Herausforderungen ergeben sich jedoch, wenn Menschen nicht intrinsisch motiviert sind, ohne den Umgang mit digitalen Medien jedoch weniger an der Gesellschaft teilhaben können (Stubbe et al., 2019).
Möglichkeiten, die Entwicklung von Motivation zu unterstützen
Zahlreiche Studien beschäftigen sich damit, wodurch die Entwicklung einer (möglichst intrinsischen) Motivation begünstigt wird. Denn Motivation wird – wie dargestellt – eine wichtige Rolle beim Erlernen und kompetenten Handeln zugeschrieben. In der Selbstbestimmungstheorie (Deci & Ryan, 1993) sind mit den Grundbedürfnissen nach Kompetenz, Autonomie und sozialer Eingebundenheit bereits wesentliche Bedingungen benannt. Auch in den empirischen Ergebnissen spiegeln sich diese Bedürfnisse wider. So wird zum einen das soziale Umfeld in mehreren Texten als wesentlicher Faktor benannt. Im höheren Lebensalter ist etwa die Einbindung von Senioren-Organisationen sowie die Ansprache über sogenannte Gatekeeper (also Personen, die man gut kennt) wesentlich, um Kompetenzträger*innen zur Teilnahme an Weiterbildungsangeboten zum Thema digitale Kompetenz zu motivieren (Stubbe et al., 2019). Auch in der frühen Kindheit kommt der emotionalen Nähe zum sozialen Umfeld (in diesem Fall Spielkamerad*innen) eine gesteigerte Bedeutung für Motivation zu. Aber auch die Freude bzw. das Interesse von Lehrkräften an einem Thema, wie zum Beispiel Informatik, kann sich positiv auf die Motivation von Kindern auswirken (Bergner et al., 2018).
(Positive) Erfahrungen mit Medien bzw. Medienthemen zu ermöglichen, ist ein weiterer motivationsfördernder Faktor (z.B. Rieß et al., 2018). Dieser ist eng geknüpft an die Erfahrung von Alltäglichkeit. Bergner et al. (2018) beschreiben dies beispielsweise in Hinblick auf informatische Themen als relevant. So sollen Lehrkräfte erfahren, dass informatische Themen in ihrem Alltag und dem der Kinder vielfältig vorkommen. Bezüge zum alltäglichen Leben erscheinen auch mit Blick auf das höhere Lebensalter relevant. So werden etwa Informationen über Alltagsnähe und -relevanz gefordert oder auch lebensweltorientierte Projektformate zur digitalen Inklusion von Menschen im höheren Lebensalter (Ehlers et al., 2016). Schmitt et al. (2020) thematisieren darüber hinaus, dass die Anerkennung und Wertschätzung von Belangen der Jugendlichen motivierend wirkt. An diesen Beispielen wird deutlich: An die Perspektive der jeweiligen Kompetenzträger*innen anzuschließen, ist wesentlich. Dies wiederum kann als autonomiefördernd wahrgenommen werden, wie es Deci und Ryan (1993) in Bezug auf den Erziehungsstil von Eltern feststellen. In den beschriebenen Aspekten kann also ein Zusammenhang zu den Bedürfnissen nach Kompetenzerleben und Autonomie gesehen werden.
Zuletzt sei darauf verwiesen, dass auch die Gestaltung digitaler Medien Motivation unterstützen kann (Stubbe et al., 2019). Wie digitale Medien gestaltet sein sollten, ist unter anderem abhängig von der Zielgruppe. So legen etwa Bergner et al. (2018) im Kontext informatischer Kompetenz nahe, dass Werkzeuge die Möglichkeit bieten sollten, persönlich bedeutsame Produkte zu erschaffen und direkt Rückmeldung zu geben. Das heißt, dass man die Ergebnisse eigener Programmierversuche sofort sehen und bewerten kann. Geht es um Technikakzeptanz im höheren Lebensalter ist ein Aufforderungscharakter von Unterstützungssystemen hilfreich (Ehlers et al., 2016).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Motivation und Kompetenz beziehungsweise kompetentes Handeln eng miteinander verwoben sind. In den verschiedenen Modellen spiegeln sich – in Hinblick auf Motivation – drei Verständnisse von Kompetenz wider. Diese könnten als subjektorientiert, medienorientiert und gesellschaftsorientiert bezeichnet werden. Modelle wie das von Pfaff-Rüdiger et al. (2012) orientieren sich stark am Subjekt. Kompetenz wird hier ausgehend von den Bedürfnissen des Individuums definiert. Im Gegensatz dazu beschreiben Petry et al. (2019) Kompetenzen – bezogen auf den beruflichen Alltag – stärker von den medialen Anforderungen her. Motivation im Sinne einer Bereitschaft, angesichts des digitalen Wandels ständig weiterzulernen, steht hier als „weiche Kompetenz“ neben Wissen über und Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Medien. Modelle wie das von Ilomäki et al. (2016) wiederum verbinden mit Kompetenz die Motivation zur Teilhabe an einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft. Damit liegt ein Schwerpunkt auf der Rolle des Individuums für die Gesellschaft. Zudem taucht Motivation im deutschsprachigen Diskurs um Medien- und Digitalkompetenz in unterschiedlichen Funktionszuschreibungen auf. Motivation wird einerseits als Bereitschaft, kompetent zu handeln, dargestellt und andererseits als Kriterium, an dem kompetentes Handeln festgemacht werden kann. Damit stellt sich vor allem für die Forschung die Frage: Was wird eigentlich erfasst?
Sowohl aus der Selbstbestimmungstheorie als auch aus den empirischen Studien lassen sich Faktoren ableiten, die der Selbstbestimmung zuträglich sind. Diese zu berücksichtigen, ist gerade für die medienpädagogische Praxis relevant. Beispiele sind etwa ein angemessenes Anforderungsniveau von Aufgaben (die nicht zu leicht und nicht zu schwer sein sollen). Im Ansatz aktiver Medienarbeit finden sich bereits viele förderliche Bedingungen vereint, wie etwa das Schaffen eines Raumes, um in einer Gruppe positive Erfahrungen zu sammeln.
Fußnoten
- Verhalten wurde in der Studie in vier inhaltliche Bereiche sozialen Handelns unterschieden, nämlich partizipatives, vermittelndes, moralisches und integratives Handeln.↩
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Die Autor*innen
Laura Cousseran, M.A. ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. Ihre Forschungsschwerpunkte sind aktuell Medienaneignung von Kindern und Jugendlichen, Digitalisierung und Medienkompetenzkonzepte.
Achim Lauber, M.A. arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Forschung des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. Seine Forschungsschwerpunkte sind Sozialisation in der mediatisierten Gesellschaft, Medienaneignung von Kindern und Jugendlichen und der Kinder- und Jugendmedienschutz.
Zitation
Cousseran, L.; Lauber, A. 2023: Zum Verhältnis von Motivation und Medienkompetenz. Im Rahmen des Projektes Digitales Deutschland. Online verfügbar: https://digid.jff.de/fokus-auswertung-zu-motivation-und-kompetenz.